I. Formelle Legitimation.
Rn 5
§ 714 behält auch nach der Reform durch das MoPeG das Einstimmigkeitsprinzip grds bei (wie vormals §§ 709, 710 aF), freilich – wie früher auch – dispositiv (§ 708). Das Einstimmigkeitsprinzip gilt daher, wenn im Gesellschaftsvertrag weder ausdrücklich noch konkludent etwa Abweichendes vereinbart ist. Eine Stimmenthaltung hat hier die Wirkung einer Ablehnung. Der Gesellschaftsvertrag kann abw vom gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip bestimmen, dass Entscheidungen der Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluss getroffen werden. Für welche Entscheidungen das Mehrheitsprinzip gilt, ist durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags nach den allgemeinen Auslegungsregeln gem §§ 133, 157 – bei Publikumsgesellschaften nur durch objektive Auslegung – zu ermitteln (BGH DStR 14, 2403 Rz 15 mwN). Ob die erforderliche Mehrheitsschwelle erreicht ist, ermittelt sich anhand des nach Maßgabe von § 709 III zu ermittelnden Stimmgewichts.
Rn 6
Den seit den 50er Jahren entwickelten sog Bestimmtheitsgrundsatz, wonach allg Mehrheitsklauseln nur für gewöhnliche Geschäfte und nicht für Grundlagengeschäfte gelten sollten, hat der BGH aufgegeben (BGH NZG 13, 63 [BGH 16.10.2012 - II ZR 239/11]; DStR 14, 2403). Auf katalogartige Aufzählungen von etlichen mehrheitsfähigen Beschlussgegenständen in Gesellschaftsverträgen kommt es für die Praxis nicht mehr an.
II. Materielle Legitimation.
Rn 7
Ob eine nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen im GbR-Vertrag vorgesehene Mehrheitsentscheidung wirksam ist, ist nach der Rspr des BGH durch eine inhaltliche Kontrolle anhand der Frage zu überprüfen, ob in schlechthin unverzichtbare Gesellschafterrechte oder treupflichtwidrig in beachtenswerte Belange der Minderheit eingegriffen wurde (BGH DStR 14, 2403 Rz 17 ff; so schon BGH ZIP 09, 216, 218; WM 07, 501, 503; Goette FS Sigle, 145, 149 ff). Wird in die rechtliche oder vermögensmäßige Position eines Gesellschafters ohne seine Zustimmung eingegriffen, ist zu prüfen, ob der Eingriff im Interesse der GbR geboten und dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwerten Belange zumutbar ist (BGH DStR 14, 2403 Rz 19). Der BGH lehnt es ab, abstrakt einen Kernbereich der Mitgliedschaft zu bestimmen, der ohne Weiteres einem Mehrheitsentscheid entzogen bleibt. Vielmehr ist der geschützte Kernbereich unter Berücksichtigung der konkreten Struktur der Gesellschaft und der Stellung des betroffenen Gesellschafters zu ermitteln (BGH DStR 14, 2403 Rz 19). In der typischen GbR dürften zum geschützten Bereich aber zählen: die Geschäftsführungsregeln, zeitliche Dauer der GbR, das Informations-, Stimm- oder Gewinnanteilsrecht sowie die Regeln über die Verteilung des Liquidationserlöses (BGH NJW 95, 194f [BGH 10.10.1994 - II ZR 18/94]). Die Zustimmung kann auch vorab erteilt werden, auch im Gesellschaftsvertrag, doch wird eine solche Vorabzustimmung nur dann wirksam sein, wenn sie Art und Ausmaß des zulässigen Eingriffs, zB der Erhöhung der Beiträge, erkennen lässt (BGH DStR 14, 2403 Rz 16).