Gesetzestext
(1) Sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist, ist die Gesellschaft verpflichtet, den ausgeschiedenen Gesellschafter von der Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu befreien und ihm eine dem Wert seines Anteils angemessene Abfindung zu zahlen. Sind Verbindlichkeiten der Gesellschaft noch nicht fällig, kann die Gesellschaft dem Ausgeschiedenen Sicherheit leisten, statt ihn von der Haftung nach § 721 zu befreien.
(2) Der Wert des Gesellschaftsanteils ist, soweit erforderlich, im Wege der Schätzung zu ermitteln.
A. Grundlagen.
Rn 1
§ 728 gilt auch dann, wenn für den Ausgeschiedenen ein anderer Gesellschafter neu eintritt (BGH NJW 95, 3313, 3314), was aber zu unterscheiden ist von einer Übertragung des Gesellschaftsanteils (§ 711 I), wofür nicht § 728 gilt, sondern die Zahlung ist dann eine Gegeneistung des Erwerbers. Scheidet ein Gesellschafter durch Tod aus (§ 723 I Nr 1), steht seinen Erben der Anspruch aus § 728 zu, es sei denn, die Erben treten aufgrund einer Nachfolgeklausel in die Gesellschafterstellung ein. Sozialansprüche und Sozialverpflichtungen des ausscheidenden Gesellschafters bleiben ungeachtet des Ausscheidens bestehen, können aber nicht mehr einzeln geltend gemacht werden (Durchsetzungssperre), sondern werden zu Rechnungsposten bei der Ermittlung des Abfindungsanspruchs (bzw des zu tragenden Verlustanteils, § 728a). Zum zeitlichen Geltungsbeginn von § 728s Art 229 § 61 EGBGB und § 723 Rn 1.
B. Freistellungsanspruch.
Rn 2
Gem I 1 kann der Ausgeschiedene vorbehaltlich einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelung verlangen, dass er von seiner Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft befreit wird. Dieser Freistellungsanspruch besteht im Innenverhältnis. Gegen seine Haftung im Außenverhältnis kann sich der Ausgeschiedene mit dem Freistellungsanspruch nicht verteidigen. Soweit aufgrund der Begrenzung durch § 728b kein Haftungsrisiko besteht, hat der Ausgeschiedene keinen Freistellungsanspruch (Prognose; Servatius § 728 Rz 20). Weil der Freistellunganspruch akzessorisch zur Gesellschafterhaftung (§ 721) ist (BGH ZIP 10, 515, 516), zielt er auf Ansprüche Dritter und auf Ansprüche von Mitgesellschaftern aus Drittgeschäften, erfasst aber nicht Sozialverbindlichkeiten (BGH NJW 62, 1863 [BGH 02.07.1962 - II ZR 204/60]; NZG 10, 383 [BGH 18.01.2010 - II ZR 31/09]). Der Freistellungsanspruch erfasst auch den Fall, dass der Ausgeschiedene für seine Haftung aus § 721 einem Gläubiger der GbR eine Sicherheit geleistet hatte, von der die GbR den Ausgeschiedenen nun gem I 1 befreien muss (RGZ 132, 29, 32; BGH NJW 74, 899 [BGH 14.02.1974 - II ZR 83/72]). Der Freistellungsanspruch bezieht sich auf fällige, aber auch betagte Ansprüche gegen die GbR. Letzterenfalls darf die GbR aber dem Gesellschafter statt der Freistellung eine Sicherheit (§§ 232 ff) leisten (Servatius § 728 Rz 19).
Rn 3
Für die Höhe der Freistellung ist maßgeblich, welche Inanspruchnahme dem Ausgeschiedenen durch den Gesellschaftsgläubiger droht, nicht welche Quote davon im Innenverhältnis auf ihn entfällt. Zu kürzen ist der Freistellungsanspruch um den Betrag, den der Ausgeschiedene selbst tragen muss, weil das Gesellschaftsvermögen bei seinem Ausscheiden unzureichend ist, um alle Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen, hinsichtlich deren Forderungen der Freistellungsanspruch besteht. Bei der Ermittlung des Abfindungsguthabens ist anzusetzen, inwieweit ein konkreter Freistellungsanspruch erfüllt oder noch offen ist, damit dieser Wert wirtschaftlich nicht zweimal berücksichtigt wird (Servatius § 728 Rz 24).
C. Abfindungsanspruch.
Rn 4
Die Abfindung entschädigt den Ausgeschiedenen dafür, dass seine Mitgliedschaft für ihn weggefallen ist. Ausdrücklich stellt I auf den Wert des Gesellschaftsanteils ab, flankiert durch die Möglichkeit einer Schätzung gem II. Der Anteilswert ist die Beteiligungsquote iSv § 709 III am Unternehmenswert (BTDrs 19/276351, 175; Schäfer/Schäfer Neues PersGesR § 6 Rz 25). Das wird idR zu einer Bewertung des Gesellschaftsvermögen (§ 713) führen (BGH DStR 04, 97, 98 [BGH 20.10.2003 - II ZR 7/01]), bezogen auf den Zeitpunkt des Ausscheidens. Wertsteigernd oder -mindernd können zudem weitere Faktoren sein, etwa Entnahme-, Ausschüttungs- und Kündigungsbeschränkungen, Minderheitenabschläge, die tatsächliche oder rechtliche Unveräußerbarkeit des Anteils, ebenso wie eine disquotale Ergebnis- oder Stimmverteilung in dieser GbR (BTDrs aaO, 176; Servatius § 728 Rz 34). Ergibt sich für die Abfindung ein negativer Wert, besteht kein Abfindungsanspruch, sondern eine Verlusttragungspflicht nach § 728a.
Rn 5
Es gilt das ›Prinzip der Methodenoffenheit‹ (BTDrs 19/276351, 175). Allerdings darf im Licht von Art 14 I GG keine Bewertungsmethode gewählt werden, die im konkreten Fall nicht dazu führt, dass angesichts der Umstände eine sachgerechte Unternehmensbewertung bzw Anteilswertermittlung nicht gewährleistet oder eine andere Methode offensichtlich besser geeignet ist. Methodenoffenheit bedeutet daher nicht Methodenbeliebigkeit. Die Gesellschafter können im Gesellschaf...