Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 11
Das Spiel hat die Erzielung von Gewinn zum Ziel: Die Vertragspartner sagen sich für den Fall des Spielgewinns eine Leistung zu. Für die Gewinnchance nimmt der Spieler ein Verlustrisiko in Kauf (vgl BeckOKBGB/Janoschek § 762 Rz 3). Charakteristisch ist, dass dem Spielvertrag ein ernster sozialer oder wirtschaftlicher Zweck fehlt (vgl Staud/Schönenberg-Wessel Vorbem zu §§ 762 ff Rz 7).
Rn 12
Spiel iSv § 762 umfasst (1.) das Geschicklichkeitsspiel, bei dem Gewinn und Verlust wesentlich oder gänzlich von den persönlichen Fähigkeiten (vgl Celle NJW 96, 2660, 2662 [OLG Celle 20.03.1996 - 13 U 146/95]), Kenntnissen oder der Geschicklichkeit der Teilnehmer (zB Poker, dazu Schmidt/Wittig JR 09, 45 ff) abhängen sowie (2.) das Glücksspiel, bei dem Gewinn oder Verlust allein oder hauptsächlich vom Zufall abhängen (zB Sportwetten, vgl dabei jeweils zu § 284 StGB BGH NJW 02, 2175 f; Z 158, 343, 351 ›Schöner Wetten‹; BGHSt 2, 274, 276; JZ 03, 858, 859; ferner Janz NJW 03, 1694 ff; zur Immobilienverlosung vgl Sterzinger NJW 09, 3690 ff Gegenbeispiel). Unterart des Spiels ist der Lotterie- oder Ausspielvertrag, § 763 (Grüneberg/Sprau § 762 Rz 2).
Rn 13
Glücksspiel sind auch Finanztermingeschäfte iSv §§ 2 III, 99 2 (bis 2.1.18: 37e 2) WpHG (Stuttgart ZIP 10, 2189, 2195; vgl Casper WM 03, 161 ff), für die der Einwand aus § 762 unzulässig ist (§ 99 WpHG; differenzierend Mülbert/Böhmer WM 06, 937, 943 ff; 985, 998). Liegen die Voraussetzungen der Anwendung von § 99 WpHG nicht vor, bleibt § 762 anwendbar (BTDrs 14/8017, 96; Schwark/Zimmer § 99 WpHG Rz 1). Zur Diskussion um (Lehmann Brothers-) Zertifikate Salewski, BKR 12, 100.
Rn 14
Die Wette ist ein Vertrag, dessen Parteien sich unter Erhebung widerstreitender Behauptungen gegenseitig verpflichten, dass derjenige, dessen Behauptung sich als zutr erweist, eine bestimmte Leistung erhält (RGZ 61, 153, 155f). Auch die einseitige Wette, bei der beide Parteien aus Spiel- oder Wettmotiven handeln, aber nur eine Vertragspartei einen Einsatz leistet, fällt als zweiseitiges Geschäft unter § 762 (vgl RGZ aaO, 156; Grüneberg/Sprau § 762 Rz 3). Die Regelungen in § 762 sind nur auf zweiseitige Geschäfte anwendbar (Umkehrschluss zu § 764 2 aF).
Rn 15
Von Bedeutung ist die Abgrenzung zwischen Spiel und Wette, da allein Spielverträge nach § 763 staatlich genehmigt werden können und §§ 284 ff StGB nur Glücksspiele betreffen (vgl Schönke/Schröder/Heine/Hecker § 284 Rz 6).
Rn 16
Weder Spiel noch Wette sind andere gesetzlich vorgesehene Vertragstypen wie zB Versicherungsvertrag (Celle VersR 95, 405, 406, vgl auch RGZ 129, 134, 142), Leibrente, Bürgschaft und Auslobung (vgl zB Köln, BeckRS 14, 11310 ›Wer wird Millionär‹), die alle einen ernsthaften wirtschaftlichen oder sonstigen Zweck verfolgen (vgl Erman/Müller § 762 Rz 2). Das ›Radiogewinnspiel‹ um ein ›Traumhaus‹ ist Auslobung (§ 657), weil die Telefonkosten keinen Einsatz (Risiko) für ein Spiel darstellen (Brandbg ZfWG 12, 144, 147).
Rn 17
Ebenfalls nicht Spiel oder Wette sind Rechtsgeschäfte mit spekulativem oder gewagtem Charakter, aber ernsthaftem wirtschaftlichen oder sonstigen Zweck (der im Einzelfall festzustellen ist): zB (1) Versteigerung im Internet (BGHZ 149, 129, 139: Ungewissheit über die Stärke der Nachfrage im Angebotszeitraum; anders allerdings für Countdown-Auktionen: VGH Baden-Württemberg, ZfWG 13, 282, 284 ff); (2) Prämienversprechungen für Leistungen im Sport (Staud/Schönenberg-Wessel Vorbem zu §§ 762 ff Rz 7b; differenzierend MüKoBGB/Habersack § 762 Rz 8: Spiel, wenn auch der Veranstalter in Spielabsicht handelt, vgl zB LG Marburg NJW 55, 346 [LG Marburg 13.10.1954 - S 104/54] ›Preisschießen‹); (3) Prämienversprechen im Zusammenhang von sportlichen Leistungen Dritter (zB Zinserhöhung für Sparkonto bei jedem Sieg eines Rennautos, vgl Servatius WM 04, 1804, 1805 ff), (4) Vergnügungstombola und Verlosungen zu wohltätigen Zwecken (Grüneberg/Sprau § 762 Rz 4).