Prof. Dr. Eckart Brödermann
I. Bestimmbarkeit der Bürgschaftsschuld (insbes Globalbürgschaften).
Rn 12
Die besicherte Hauptschuld muss entweder im Bürgschaftsvertrag genau bezeichnet oder zumindest bestimmbar sein (BGH NJW 88, 907; Ddorf BauR 12, 1261 zur Ausschüttungsbürgschaft in einer ARGE). Dies gilt insb für bedingte und künftige Verbindlichkeiten iSv § 765 II (s § 767 Rn 4). Bei Bürgschaften, die auf Seiten des Bürgen ein Handelsgeschäft darstellen, führt die Anerkennung eines Rechnungsabschlusses durch den Hauptschuldner nach Einstellung der Forderung in ein Kontokorrent zu einer summenmäßigen Begrenzung auf den Saldo (§ 356 HGB). Bei mehreren Rechnungsabschlüssen gilt der niedrigste (BGHZ 26, 142, 150). Änderungen zwischen den Abschlüssen sind unerheblich (vgl zB BGHZ 50, 277, 283f).
Rn 13
Bei Globalbürgschaften verpflichtet sich der Bürge in einer weiten Sicherungszweckerklärung zur Übernahme einer Bürgschaft für alle gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten (vgl § 765 II) des Hauptschuldners. Globalbürgschaften verstoßen nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz: der umfassende Begriff ›alle‹ beschreibt die Verbindlichkeiten in hinreichend bestimmter Weise. Sinn des Bestimmtheitsgrundsatzes ist es nicht, den Bürgen vor der Eingehung unübersehbarer und unkontrollierbarer Belastungen zu bewahren (BGHZ 130, 19, 22). Aus diesem Grund ist eine individualvertragliche Vereinbarung einer Globalbürgschaft grds wirksam (Erman/Zetzsche § 765 Rz 35). Eine formularvertraglich vereinbarte Globalbürgschaft ist hingegen idR unwirksam (s.u. Rn 16 ff).
II. AGB-Kontrolle von Bürgschaftsklauseln (insb Globalbürgschaften).
Rn 14
Nach dem AGB-Recht in §§ 305–310 können einzelne Klauseln unwirksam sein (zur Einbeziehung von AGB s Vor § 765 Rn 29); s auch Förster WM 10, 1677: Nach § 309 Nr 12 ist eine Klausel unwirksam, durch welche der Gläubiger dem Bürgen die Beweislast für das Nicht-Bestehen der verbürgten Forderung – über die der Gläubiger die beste Kenntnis haben sollte – auferlegt (MüKoBGB/Habersack § 765 Rz 34). Eine Klausel, die dem Abschlussvertreter eines Bürgen (zB Prokurist) eine Einstandspflicht ohne hierauf gerichtete ausdrückliche und gesonderte Erklärung auferlegt, verstößt gegen § 309 Nr 11 lit a (BGHZ 148, 302, 304). Eine AGB-Klausel des Auftraggebers, welche vorschreibt, dass eine Vertragserfüllungsbürgschaft in nur einer Urkunde zu stellen sei, benachteiligt den Auftragnehmer iSd § 307 unangemessen (LG Erfurt IBR 19, 1125).
Rn 15
Ist eine Klausel unwirksam, so bleibt der Vertrag nach § 306 I iÜ wirksam. Die Lücke ist idR nach § 306 II mit den gesetzlichen Vorschriften zu schließen (s aber Rn 20 für die Globalbürgschaft) und der Vertrag anschließend unter Berücksichtigung der Lückenfüllung einer Unzumutbarkeitsprüfung nach § 306 III zu unterziehen. Ausnahmsweise kann die durch die Unwirksamkeit einer oder mehrerer Klauseln entstandene Lücke so groß sein, dass der als wirksam anzusehende Rest im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll ist: Dann ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtregelung (idS BGH NJW 92, 896, 897 f und BGHZ 130, 19, 34 ff: beides Fälle zum Bürgschaftsrecht, in denen die Gesamtunwirksamkeit geprüft und abgelehnt wurde).
Rn 16
Eine formularvertragliche Globalbürgschaftsklausel kann überraschend iSv § 305c I sein: zB wenn der Bürge die Bürgschaft aus Anlass der Gewährung eines bestimmten Kredits übernommen hat (BGHZ 126, 174, 177; 130, 19, 24 ff; NJW 96, 1470, 1472f). Die Begrenzung auf einen Höchstbetrag ändert an dem Vorliegen des überraschenden Charakters der Klausel nichts (aaO 1473). Eine Überraschung iSv § 305c I ist ausnahmsweise zu verneinen, wenn sich der Bürge bei der Übernahme der Bürgschaft die Höhe der Hauptschuld nicht vorstellt und sich keine Gedanken über deren Größenordnung macht (BGHZ 130, 19, 28).
Rn 17
Ist die formularvertragliche Globalbürgschaft nicht überraschend, ist sie gleichwohl idR als unangemessene Benachteiligung iSv § 307 I, II Nr 1 unwirksam: Nach dem in § 767 I 3 zum Ausdruck kommenden Leitgedanken kann die Haftung des Bürgen nicht ohne dessen Mitwirkung durch Rechtsgeschäfte des Hauptschuldners mit dem Gläubiger nachträglich über die ›Anlassforderung‹ hinaus erweitert werden (Verbot der Fremdbestimmung), BGHZ 130, 19, 26 f; ZIP 01, 1361. Eine formularmäßig weite Zweckerklärung trägt – auch bei Höchstbetragbürgschaften (s Rn 90), insb bei solchen über einen die Anlassforderung übersteigenden Betrag (BGHZ 143, 95, 100; BAG NJW 00, 3299, 3301) – ein unabsehbares und nicht beherrschbares Risiko, das zu einer untragbaren Belastung führen kann (BGH ZIP 01, 1361). Deswegen verstößt eine Globalbürgschaft, die die Haftung auf alle bestehenden und künftigen Ansprüche (dazu BGHZ 130, 19, 27; 156, 302, 310) oder auch nur auf alle bestehenden, aber nicht näher bezeichneten Forderungen (dazu BGHZ 143, 95, 98 ff; krit Siems JuS 01, 429, 432 ff) erweitert, gegen Treu und Glauben (§ 242). So auch BAG NJW 00, 3299, 3301 [BAG 27.04.2000 - 8 AZR 286/99]: Unwirksame Höchstbetragsbürgschaft einer Mutter für alle Ansprüche des Arbeitgebers gegen ihren Sohn (Verkaufsfahrer) aus dem Arbeitsverhältnis.
Rn 18
Diese Grundsätz...