Prof. Dr. Eckart Brödermann
I. Erlöschen oder Übernahme der Hauptschuld.
Rn 63
Aufgrund der Akzessorietät der Bürgschaftsverbindlichkeit (s Vor § 765 Rn 10) erlischt die Bürgschaft bei Untergang der Hauptschuld (§ 767 Rn 5), nicht aber durch pactum de non petendo zwischen Hauptschuldner und Gläubiger (der nur zu einer Einrede führen kann: § 768 Rn 9). Lebt die Hauptschuld wieder auf – ggf durch Anfechtung, für die der Gläubiger die Beweislast trägt (BGH ZIP 22, 2501, 2504) –, gilt dies auch für die Bürgschaft (München ZIP 09, 1310).
Rn 64
Hat der Hauptschuldner mehr als eine Schuld bei demselben Gläubiger, muss der Bürge idR sowohl eine einseitige Tilgungsbestimmung des Schuldners iSv § 366 I als auch eine abw von § 366 zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger getroffene Tilgungsvereinbarung akzeptieren (BGH NJW 93, 2043, 2044 [BGH 27.04.1993 - XI ZR 120/92]; 00, 2580, 2583 [BGH 06.04.2000 - IX ZR 2/98]). Fehlt beides, gilt § 366 II vorbehaltlich einer abw Vereinbarung zwischen Bürge und Gläubiger, dass durch die Leistung des Hauptschuldners zunächst die verbürgte Schuld getilgt werden soll (RGZ 136, 178, 184; Bambg NJW 56, 1240 f [OLG Bamberg 22.03.1956 - 2 U 172/55]: Verstoß des Gläubigers gegen Abrede, die Zahlung des Hauptschuldners nicht in das Kontokorrent einzustellen, begründet Einwand unzulässiger Rechtsausübung).
Rn 65
Im Falle des Übergangs der Hauptschuld auf einen Dritten im Wege der Schuldübernahme erlischt die Bürgenschuld nach § 418 I 1 (anders als bei der Abtretung durch den Gläubiger: Vor § 765 Rn 11). Bei einer Vertragsübernahme gilt § 418 I 1 analog, wenn mit dieser aus der Sicht des Bürgen ein Wechsel des Hauptschuldners verbunden ist (BGH WM 90, 1152, 1154f [OLG Hamm 30.08.1989 - 31 U 39/89]).
II. Kündigung.
Rn 66
Außer bei vertraglicher Kündigungsmöglichkeit ist die Bürgschaft nur eingeschränkt kündbar: (1) bei einer Bürgschaft auf unbestimmte Zeit nach Ablauf eines gewissen Zeitraums nach Treu und Glauben und bei Beachtung einer angemessenen Frist (BGH WM 59, 855, 856; NJW 85, 3007, 3008 [BGH 04.07.1985 - IX ZR 135/84]; NJW-RR 93, 944, 945; s DerlKnopsBa/Knops § 25 Rz 81); (2) bei Eintritt besonders wichtiger Umstände (§ 314, vgl BTDrs 14/6040 176: außerordentliches Kündigungsrecht im Kern zwingend), zB (a) eine erhebliche Verschlechterung der Vermögenslage des Hauptschuldners (BGH NJW-RR 93, 944, 945 [BGH 21.01.1993 - III ZR 15/92]; s.a. BGH WM 59, 1072, 1074 f (zu § 610 II aF); Erman/Zetzsche § 765 Rz 42: bei Vermögensverschlechterung vor Auszahlung des Darlehens Kündigung nach § 490 I analog), (b) Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft, wenn die Gesellschafterstellung Anlass für den Abschluss des Bürgschaftsvertrages war (BGH ZIP 99, 877, 878; nicht bei Abberufung des bürgenden Fremdgeschäftsführers; vgl BGH NZM 11, 709 [zur Schuldmitübernahme]), (c) Eintritt des Bürgen als persönlich haftender Gesellschafter in die schuldende Gesellschaft (BGH NJW 86, 2308, 2309), (d) Scheidung der Ehe zwischen Hauptschuldner und Bürgen (vgl BGH ZIP 02, 2123f).
Rn 67
In Anwendung des Rechtsgedankens von § 488 III 2 ist oftmals eine Kündigungsfrist von drei Monaten als angemessen anzusehen (Celle NJW-RR 89, 548, für den dort offenbar gleichgestellten Fall der außerordentlichen Kündigung; Derleder NJW 86, 97, 102 (zu § 609 II aF, der § 488 III 2 entspricht); Erman/Zetzsche § 765 Rz 42). Im Einzelfall können längere oder – insb nach Ablauf einer bestimmten Zeit oder bei einer Kündigung aus wichtigem Grund – kürzere Fristen angemessen sein (s zB Celle NJW-RR 89, 548 [OLG Celle 05.10.1988 - 3 U 306/87]: 4–6 Wochen; Extremfall von BGH NJW 85, 3007, 3008 [BGH 04.07.1985 - IX ZR 135/84]: Reduzierung der Kündigungsfrist nach Treu und Glauben auf Null). Dabei kann auch die Art der verbürgten Hauptschuld zu berücksichtigen sein (vgl für einen Fall der Mietbürgschaft Ddorf NJW 99, 3128, 3129: Wirksamkeit der Kündigung erst, wenn Gläubiger selbst ordentlich kündigen kann; KG BeckRS 07, 12609: keine Kündigung der Mietbürgschaft bei befristetem Mietvertrag).
Rn 68
In AGB kann das Kündigungsrecht aus Treu und Glauben und aus § 314 nicht ausgeschlossen werden. Die Bestimmung einer Mindestlaufzeit der Bürgschaft und einer angemessenen Kündigungsfrist sind möglich (Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs Anh § 310 BGB [15] Rz 18).
Rn 69
Da die Kündigung ex nunc wirkt (BGH NJW-RR 93, 944, 945 [BGH 21.01.1993 - III ZR 15/92]), wird durch die Kündigung die Bürgschaftsschuld auf die im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens bestehenden Verbindlichkeiten begrenzt (BGH NJW 85, 3007, 3008 [BGH 04.07.1985 - IX ZR 135/84]). Wer eine Entlassung aus der Bürgschaft wünscht, muss diese vertraglich mit dem Gläubiger vereinbaren.
III. Erfüllung der Bürgenschuld und sonstige Gründe.
Rn 70
Die Bürgenschuld erlischt, wenn der Bürge oder ein Dritter nach § 267 die Bürgenschuld erfüllt (§§ 362 ff, ggf durch Umwandlung in Darlehen, Celle WM 2010, 753) oder ein Erlassvertrag (§ 397) über die Bürgschaft abgeschlossen wird (Hambg NJW 86, 1691; Bremen BeckRS 13, 17628). In der Rücksendung der Bürgschaftsurkunde kann das (konkludente) Angebot auf den Abschluss eines Erlassvertrages liegen,...