Prof. Dr. Eckart Brödermann
I. Notwendiger Inhalt der Bürgschaftsurkunde.
1. Übersicht: Essentialia, Übermittlung, Auslegung, Reichweite.
Rn 10
Die Bürgschaftsurkunde muss zur Wahrung der Schriftform folgende Essentialia enthalten: (1.) den Willen, für eine fremde Schuld einzustehen (Verbürgungswille), (2.) den Gläubiger und den Hauptschuldner und (3.) die verbürgte Forderung (BGHZ 132, 119, 122; 140, 167, 171; WM 03, 1563, 1564). Die Urkunde muss dem Gläubiger im Original übermittelt werden (s BGH NJW 93, 1126; Grüneberg/Sprau § 766 Rz 4).
Rn 11
Die Essentialia müssen nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Urkunde ersichtlich sein. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände können zur Auslegung herangezogen werden, wenn die Urkunde dafür einen zureichenden Anhaltspunkt enthält (Andeutungstheorie, BGHZ 26, 142, 146; NJW 92, 1448, 1449; ZIP 93, 102, 103; ZIP 00, 740, 741). Aus der Darstellung eines wesentlichen Merkmals lassen sich oft hinreichende Anhaltspunkte für ein anderes schließen (Staud/Stürner § 765 Rz 33; s aber zB BGH WM 89, 559, 562). Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Gläubigers (BGH NJW 95, 959 [BGH 05.01.1995 - IX ZR 101/94]; 95, 1886, 1887). Ausnahme: Bei der Falschbezeichnung (falsa demonstratio) gilt das Gewollte auch ohne einen Anhaltspunkt in der Urkunde (BGH NJW 89, 1484, 1485 [BGH 02.02.1989 - IX ZR 99/88]; 95, 1886, 1887).
Rn 12
Diese Grundsätze gelten regelmäßig für alle Rechtsgeschäfte, die unter § 766 1 fallen (s Rn 3 ff), so zB für die Ausfüllungsermächtigung zur Vervollständigung eines Bürgschaftsblanketts (BGHZ 132, 119, 128; 140, 167, 172; NJW 00, 1179, 1180). Bei einer Vertragsergänzung (vgl Rn 6) reicht die Bezugnahme auf die Bürgschaftsurkunde aus (vgl BGHZ 26, 142, 150).
2. Einzelheiten.
Rn 13
Zum Ausdruck des Verbürgungswillens ist die Verwendung der Begriffe ›Bürgschaft‹ oder ›bürgen‹ nicht zwingend erforderlich. Die bloße Mitunterzeichnung der über die Hauptschuld errichteten Urkunde oder eines sonstigen Vertragstextes durch den Bürgen reicht allein nicht aus (RGZ 71, 113, 115; 78, 37, 39); es genügt aber zB, wenn der Bürge seiner Unterschrift die Worte ›als Bürge‹ hinzufügt (RGZ 71, 113, 115) oder unmittelbar unter seiner Unterschrift die Worte ›selbstschuldnerische Bürgschaft‹ (BGH NJW 95, 43, 45 [BGH 13.10.1994 - IX ZR 25/94]) ergänzt. Die Einstandspflicht muss sich gerade auf die Bürgschaft beziehen, nicht bloß auf ein sonstiges mögliches Sicherungsgeschäft (Erman/Zetzsche § 766 Rz 4). Im Zweifel ist zu Gunsten des Sicherungsgebers (Erman/Zetzsche aaO) von einer Bürgschaft auszugehen (s Vor § 765 Rn 52, 54 für die Abgrenzung ggü Garantie und Schuldbeitritt).
Rn 14
Eine individuelle Bezeichnung von Gläubiger und Hauptschuldner ist nicht notwendig (BGH NJW 92, 1448, 1449: Bürgschaft im Bauherrenmodell für eine Vielzahl von Gläubigern). So können zB aus der Bezeichnung der Hauptschuld der Gläubiger und der Hauptschuldner ermittelt werden (BGH NJW 93, 724, 725). Die Verbürgung auch für den ›Rechtsnachfolger‹ eines Gläubigers ist möglich (BGHZ 26, 142, 148 f; NJW 92, 1448, 1449).
Rn 15
Für die Andeutung der gesicherten Forderung kann genügen: (1.) die Bezeichnung von Gläubiger und Hauptschuldner in der Bürgschaftsurkunde (BGH NJW 95, 1886, 1887; s aber WM 03, 1563, 1566: Bürgschaft ggü der Bank, die ein Eigenkapitalhilfedarlehen der Deutschen Ausgleichsbank verwaltet, erfasst das EKH-Darlehen nicht); (2.) die allg Beschreibung eines künftigen Rechtsverhältnisses (arg § 765 II, BGHZ 25, 318, 319f); (3.) der Verweis auf Forderungen, die aus einem ganzen Kreis von Rechtsbeziehungen entstehen können (aaO).
Rn 16
Unzureichend: (1.) pauschaler Verweis auf sonstige Urkunden oder auf AGB (Stuttg BB 77, 415, 416); (2.) die bloße Angabe einer Bürgschaftssumme (BGH NJW 89, 1484, 1485 [BGH 02.02.1989 - IX ZR 99/88]).