Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 14
Die Regelung in § 768 II schützt den Bürgen vor einem Einredeverzicht des Hauptschuldners ggü dem Gläubiger oder kollusivem Zusammenwirken von Gläubiger und Hauptschuldner (vgl § 328 Rn 11: Kein Vertrag zu Lasten Dritter); s zB BGH BB 07, 2591 zum Verjährungsverzicht. Der Bürge verliert eine ihm nach § 768 I 1 zustehende Einrede auch nicht, wenn der Hauptschuldner selbst sie durch sein Prozessverhalten verliert: zB Verlust der Einrede der Verjährung durch Versäumnisurteil (BGHZ 76, 222, 230f) oder uU durch Anerkenntnis (s § 212 I Nr 1, BGH DNotZ 2008, 277, 279; str ob Geltung eines Anerkenntnisses in AGB des Bürgschaftsgläubigers vereinbart werden können: ja München BeckRS 06, 01397; nein Hamm, BeckRS 14, 6220; s.a. § 767 Rn 14. Dies muss im Einzelfall entschieden werden: Ein Anerkenntnis kann auch Schaden mindernd sein, § 767 II iVm § 254; s.a. Staud/Stürner § 768 Rz 3). Allerdings führt schlechte Prozessführung zum Verlust einer Einrede (zB der Verjährung), wenn (i) der Hauptschuldner sich erfolglos – ohne Einlegung eines Rechtsmittels – auf die Einrede berufen hatte und (ii) zugleich keine verzichtsgleiche Motivation des Hauptschuldners vorliegt, BGH NJW 16, 3158 (3161) [BGH 14.06.2016 - XI ZR 242/15] mit kritischer Anm Mayer JZ 17, 317, 318 f und Leitmeier NJW 17, 1273, 1276; hingegen zustimmend Lange BKR 17, 447, 449. Will der Gläubiger die Verwertbarkeit der Bürgschaft bei drohender Verjährung der Hauptschuld sicherstellen, sollte er den Bürgen in die Rechtsverfolgung einbeziehen (s Vor § 765 Rn 36, 40); s aber auch Rn 15.
Rn 15
Verliert der Hauptschuldner eine Einrede nicht durch Verzichtserklärung, sondern durch Urteil (BGH BGHZ 210, 348 Rz 37, Celle BeckRS 20, 44503: keine analoge Anwendung von § 768 II) oder kraft Gesetzes, verliert auch der Bürge die Einrede (Köln, BKR 22, 315, 317). So bindet der Aufrechnungsverzicht des Hauptschuldners auch den Bürgen (BGHZ 153, 293, 299f). Dasselbe gilt bei der vorbehaltlosen Leistungsannahme und dem daraus nach § 341 III resultierenden Verlust des Anspruchs auf Vertragsstrafe (RGZ 53, 356, 358) sowie bei Verlust der Mängelrechte nach § 377 HGB (BGH NJW-RR 87, 1188, 1189 [BGH 04.06.1987 - IX ZR 123/86]). Die Hemmung der Verjährung der Hauptschuld durch Verhandlung nach § 203 S 1 (BGH NJW-RR 2010, 975, 977 [BGH 14.07.2009 - XI ZR 18/08] u BGH BeckRS 10, 03884) oder aufgrund eines vorübergehenden Leistungsverweigerungsrechts nach § 205 (BGH NJW 16, 397 [BGH 16.09.2015 - VIII ZR 119/14]) wirkt nach § 768 I 1 auch ggü dem Bürgen (vgl Boemke/Dorr NJOZ 2017, 1578, 1585) und ist nicht mit einer Verzichtserklärung vergleichbar.