Prof. Dr. Eckart Brödermann
I. Mehrere Bürgschaftserklärungen für dieselbe Schuld.
Rn 3
Eine Mitbürgschaft setzt Bürgschaftserklärungen von mindestens zwei Bürgen voraus. Vorbehaltlich des allg Formerfordernisses aus § 766 ist die Art und Weise der Bürgschaftserklärungen frei: gemeinschaftlich iSd § 427 oder gesondert in einer oder in mehreren Urkunden oder Erklärungen, gleichzeitig oder zu verschiedenen Zeitpunkten (Prot II 467f), in Kenntnis oder Unkenntnis der Mitverbürgung (RGZ 77, 53, 55; 81, 414, 419).
Rn 4
Die Mitbürgschaft setzt die Gleichstufigkeit der Haftungsverhältnisse voraus (BGH NJW 86, 3131, 3132), dh die Bürgen müssen sich für dieselbe Schuld (oder denselben Teil einer Schuld) verbürgt haben. Verbürgen sich mehrere Bürgen in unterschiedlicher Höhe für dieselbe Verbindlichkeit, so liegt bis zur gemeinsamen Haftungsgrenze Mitbürgschaft – und nicht Teilbürgschaft (s Rn 5) – vor (implizit RGZ 81, 414, 419; Hamm WM 84, 829; Stuttg ZIP 90, 445, 446). Indiz für die Begründung von Mitbürgschaften ist es, wenn sich die einzelnen Bürgschaftssummen jeweils mit dem Gesamtbetrag der Hauptverbindlichkeit decken oder die Bürgschaften jeweils in unbegrenzter Höhe übernommen wurden (Weber, 67f).
Rn 5
Hingegen liegt mangels Gleichstufigkeit keine Mitbürgschaft zwischen Vor- und Nachbürgen (§ 765 Rn 94) und bei der Teilbürgschaft vor, bei der sich die Bürgen für verschiedene Teile einer Verbindlichkeit verbürgen (§ 765 Rn 107). Ist eine Vielzahl kleinerer Teilbeträge der Forderung verbürgt, liegen meistens Teilbürgschaften vor: Denn bei Annahme von Mitbürgschaften wäre im Widerspruch zum Parteiwillen ein Teil der Forderung nicht verbürgt (Weber, 68; Beeser BB 58, 970, 972).
II. Gegenseitige Abhängigkeit der Bürgschaftserklärungen.
Rn 6
Ein (künftiger) Bürge kann seine Bürgschaft von der Begründung einer Mitbürgschaft als Bedingung iSd § 158 abhängig machen (RGZ 138, 270, 273; BGH WM 74, 8, 10f). Solch eine Bedingung muss idR ausdrücklich vereinbart sein oder sich durch Vertragsauslegung aus den Umständen ergeben (Köln BB 99, 758 [OLG Köln 07.10.1998 - 13 U 39/98]). Ein Motivirrtum über die Existenz eines Mitbürgen berechtigt idR nicht zur Anfechtung: s § 765 Rn 45.
Rn 7
Die Anwendung von § 139, die zur Nichtigkeit sämtlicher Mitbürgschaften führen kann, kommt überhaupt nur in Betracht, wenn ein gemeinschaftlicher Mitbürgschaftsvertrag iSd § 427 vorliegt. Jedoch ist die Bürgschaftserklärung eines Mitbürgen in diesem Fall trotz der Unwirksamkeit einer anderen (Mit-)Bürgschaftserklärung regelmäßig entgegen dem Regelfall von § 139 wirksam, da es regelmäßig zwischen den Parteien zu einer Willenseinigung dahingehend kommt, dass eine Mitbürgschaft bestehen bleiben soll, wenn eine andere ausbleibt (RGZ 138, 270, 272; vgl auch 99, 52, 56; Soergel/Gröschler § 769 Rz 4). Die Unwirksamkeit eines Bürgschaftsvertrages mit einem Mitbürgen stellt idR auch keinen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313) für die übrigen Mitbürgschaftsverträge dar (Frankf NJW-RR 88, 496, 497 unter Hinweis auf das Sicherungsinteresse des Gläubigers).