Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 4
Der vertragliche Verzicht auf die Einrede der Vorausklage kann vor, bei oder nach der Bürgschaftsübernahme vereinbart werden (BGH NJW 68, 2332). Er bedarf im nicht kaufmännischen Verkehr immer der Schriftform, da er die rechtliche Stellung des Bürgen verschlechtert (BGH NJW 68, 2332 [BGH 25.09.1968 - VIII ZR 164/66]; § 766 Rn 6). Der Verzicht kann nicht nur individualvertraglich sondern grds auch in AGB vereinbart werden (BGHZ 95, 350, 361; NJW 01, 2466, 2468; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, Anh § 310 BGB (15) Rz 12; Staud/Stürner § 773 Rz 3).
Rn 5
Der individualvertragliche Verzicht ergibt sich oft aus dem Wortlaut, zB: ›Selbstschuldner‹ (§ 773 I Nr 1), ›Selbstzahler‹, ›Bürge und Zahler‹, ›bürgt solidarisch‹ (Staud/Stürner § 773 Rz 2; s.a. Prot II 477: ›verbürgt sich samtverbindlich‹). Ist dies nicht der Fall, ist eine Auslegung nach §§ 133, 157 erforderlich, bei der auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden können (s BGH NJW 68, 2332 [BGH 25.09.1968 - VIII ZR 164/66]; s § 766 Rn 11 zur Andeutungstheorie). Unterwirft sich der Bürge nach § 794 I Nr 5 ZPO der sofortigen Zwangsvollstreckung (KG JW 34, 1292, 1293) oder sagt er die schnelle Erfüllung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu (RG JW 21, 335, 336; Staud/Stürner § 773 Rz 2), lässt dies auf einen Verzicht auf die Einrede der Vorausklage schließen. Bei Verträgen in englischer Sprache, die deutschem Recht unterliegen, spricht der von einem englischen Bürgen oder Vertreter verwendete Begriff ›surety‹ für den Verzicht auf die Einrede der Vorausklage, weil das englische Recht die Subsidiarität nicht kennt (s Vor § 765 Rn 70 u PWW-Online-Ergänzungsband, abrufbar unter www.pww-oe.de, ex Art 32 EGBGB Rn 7 zur Berücksichtigung englischer Rechtsvorstellungen bei Auslegung eines Vertrags nach deutschem Recht).
Rn 6
Ein formularmäßiger Verzicht in AGB muss eindeutig sein: Das Transparenzgebot aus § 307 I 2 gebietet den klaren Hinweis darauf, dass der Bürge gleichrangig und nicht nur subsidiär haftet (Erman/Zetzsche § 773 Rz 4; MüKoBGB/Habersack § 773 Rz 3). Ausreichend ist zB eine Klausel, in der ein Bürge als selbstschuldnerisch Haftender bezeichnet wird, dem entgegen § 771 1 nicht das Recht zusteht, die Bürgenhaftung deswegen abzulehnen, weil der Gläubiger keine vergebliche Vollstreckung ggü dem Schuldner versucht hat (so der Vorschlag von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Bürgschaft/Pamp Rz 48). Unzureichend sind dagegen Klauseln mit einem dem Verbraucher nicht ohne weiteres in seiner Tragweite verständlichen Wortlaut, wie zB: ›selbstschuldnerisch‹, ›auf die Einrede der Vorausklage wird verzichtet‹ oder mit dem schlichten Hinweis, § 771 sei abbedungen (MüKoBGB/Habersack § 773 Rz 3; Erman/Zetzsche § 773 Rz 4; Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Bürgschaft/Pamp Rz 48).