Prof. Dr. Eckart Brödermann
1. Übergang der Hauptforderung.
Rn 11
Die Befriedigung des Gläubigers führt zum gesetzlichen Übergang der Hauptforderung (unverändert bleiben zB Verjährungsfrist, Erfüllungsort und Erfüllungszeit). Es gehen einerseits die Nebenrechte auf den Bürgen über (§§ 412, 401); andererseits bleibt die Forderung mit allen Einwendungen und Einreden behaftet, die dem Hauptschuldner ggü dem Gläubiger zustanden (§§ 412, 404), BGHZ 35, 172, 174; Rn 14 ff. Der Bürge erhält auch den Zinsanspruch, der auf der Hauptschuld lastet: auf die vom Bürgen an den Gläubiger gezahlten und (entgegen dem Wortlaut von § 774 I 1) auf die unbezahlten Zinsen; denn der Hauptschuldner soll nicht davon profitieren, dass der Bürge für ihn die Hauptverbindlichkeit erfüllt hat (BGH aaO; Staud/Stürner § 774 Rz 6, 15; aM Reinicke DB 67, 847, 852). Der Hauptschuldner kann jedoch ggü dem Bürgen nach § 774 I 3 eine abw günstigere Zinsabrede einwenden (MüKoBGB/Habersack § 774 Rz 19).
Rn 12
Ein rechtsgeschäftliches Abtretungsverbot (§ 399 Alt 2) der Hauptforderung steht der cessio legis (in Analogie zu § 851 II ZPO) trotz § 412 grds nicht entgegen (Staud/Stürner § 774 Rz 16; MüKoBGB/Habersack § 774 Rz 7; aA Erman/Zetzsche § 774 Rz 6): Das Abtretungsverbot soll im Kern vor einer Auswechslung des Gläubigers schützen; zum Bürgen besteht aber bereits (meist) ein Schuldverhältnis (s § 765 Rn 7): Er gehört nicht zu dem Personenkreis, vor dem das Abtretungsverbot schützen will. Der vom Hauptschuldner mit dem Abtretungsverbot (meist) bezweckte Eigenschutz wird dadurch erreicht, dass nach §§ 412, 399 die weitere Abtretung durch den Bürgen unzulässig ist.
Rn 13
Bei einer für eine Gesamtschuld abgegebenen Bürgschaft erfasst der Forderungsübergang nur die Hauptforderung gegen den oder die Gesamt(haupt-)schuldner, für den oder die sich der Bürge verbürgt hat. Forderungen gegen andere Gesamt(haupt-)schuldner erwirbt der Bürge durch die cessio legis nur in dem Maße, in dem der ausgefallene Gesamt(haupt-)schuldner, wenn er selbst geleistet hätte, durch seine Leistung nach § 426 II eine Forderung gegen die anderen Gesamt(haupt)schuldner erworben hätte (BGHZ 46, 14, 16).
2. Übergang von Nebenrechten.
Rn 14
Mit der Hauptforderung gehen nach §§ 412, 401 auch alle von ihr abhängigen Nebenrechte, insb akzessorische Sicherheiten, auf den Bürgen über (Mot II 674; BGHZ 110, 41, 43). Dies gilt unabhängig davon, ob die Nebenrechte vor oder nach Übernahme der Bürgschaft entstanden sind (arg § 776 2). Selbstständige Sicherungsrechte, wie zB Sicherungsgrundschulden, Sicherungseigentum (BGH WM 94, 1161, 1163), Eigentumsvorbehalte (BGHZ 42, 53, 56f), Sicherungsabtretung (BGHZ 78, 137, 143) oder Rentenschulden (Köln NJW 90, 3214) gehen nur dann in analoger Anwendung des § 774 I 1 auf den Bürgen über, wenn die Abrede des Sicherungsgebers mit dem Gläubiger diesem nicht entgegensteht (BGH WM 67, 213, 214; BGHZ 110, 41, 43). Sonst ist der Gläubiger in entspr Anwendung von §§ 774, 412, 401 zur Übertragung verpflichtet: BGHZ 144, 52, 54 f; NJW 01, 2327, 2330; BGHZ 136, 347, 352. Der Gläubiger muss die Sicherungsrechte nach §§ 269, 270 – vorbehaltlich anderer Vereinbarung – an seinem Wohnsitz bzw wenn die Verbindlichkeit in seinem Gewerbebetrieb entstanden ist, an seiner gewerblichen Niederlassung übertragen (BGH NJW 95, 1546 [BGH 09.03.1995 - IX ZR 134/94]).
Rn 15
Nach §§ 774, 412, 402, 403 hat der Bürge einen Anspruch auf Auskunft sowie auf Ausstellung einer öffentlich beglaubigten Abtretungsurkunde gegen den Gläubiger. Aufgrund dieser Ansprüche kann es ihm nicht versagt werden, nur Zug um Zug gegen Aushändigung der ihm zustehenden Erklärungen zur Zahlung verurteilt zu werden (RG HRR 32 Nr 2141).
3. Anspruchskonkurrenz mit Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 670, 683.
Rn 16
Neben den nach § 774 I übergehenden Anspruch tritt häufig ein Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 670, 683 (s.o. Rn 3), wenn der Bürge die Befriedigung des Gläubigers nach sorgfältiger Prüfung unter Wahrung der Interessen des Geschäftsherrn (dh des Hauptschuldners) für erforderlich halten durfte (BGHZ 95, 375, 388: Anhörung des Hauptschuldners vor Zahlung zur Befragung über Einreden erforderlich). Dann steht dem Bürgen sogar ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Hauptschuldner zu, wenn er auf eine nicht mehr bestehende Hauptschuld geleistet hat, Zug um Zug gegen die Abtretung des Bereicherungsanspruchs des Bürgen gegen den Gläubiger (§ 667), MüKoBGB/Habersack § 774 Rz 21.
Rn 17
Der Aufwendungsersatzanspruch schließt Kosten eines erforderlichen (misslungenen) Prozesses gegen den Gläubiger zur Abwehr der Inanspruchnahme (MüKoBGB/Habersack § 774 Rz 21) und Folgekosten einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger ein (Bremen NJW 63, 861, 862 [OLG Bremen 29.11.1962 - 2 U 96/62]: Verzugsschaden). Der Bürge verliert seinen Aufwendungsersatzanspruch im Insolvenzverfahren des Hauptschuldners, wenn der Gläubiger mit seiner Forderung an diesem teilgenommen hat und diese durch Insolvenzplan (§ 254 II InsO) oder im Wege der Restschuldbefreiung (§ 301 II InsO) ganz oder teilweise erlassen wurde (MüKoBGB/Habersack § 774 Rz 22; vgl auch BGHZ 55, 117, 121).
Rn 18
Bei der vom Bürgen ...