Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 25
Die Bestimmung in § 774 II schützt die Mitbürgen (§ 769): Der Forderungsübergang nach § 774 I 1 ist ausgeschlossen. Der den Gläubiger befriedigende Mitbürge erwirbt stattdessen die Forderungen gegen Mitbürgen nur in der Höhe der nach § 426 I bestimmten Ausgleichspflicht (BGHZ 88, 185, 189 f; Staud/Stürner § 774 Rz 43; vgl § 769 Rn 9). Auf den Ausfallbürgen sind §§ 774 II, 426 I analog anwendbar (BGH NJW 12, 1946 [BGH 20.03.2012 - XI ZR 234/11]).
Rn 26
Nach § 426 I 1 sind Mitbürgen einander zu gleichen Teilen zum Ausgleich verpflichtet. Eine andere Aufteilung kann sich ergeben (1.) aus einer abw Vereinbarung (›soweit nicht ein anderes bestimmt ist‹); dafür trägt der Mitbürge, der sich darauf beruft, die Beweislast (BGH NJW 84, 482 [BGH 10.11.1983 - IX ZR 34/82]); oder (2.) aus der Natur der Sache (BGH NJW 87, 3126, 3129 [BGH 04.06.1987 - IX ZR 31/86]; 00, 1034, 1035 [BGH 13.01.2000 - IX ZR 11/99]). So wird zB für Gesellschafter-Mitbürgen angenommen, dass sie im Zweifel nach Maßgabe ihrer Beteiligung an der Gesellschaft haften (BGH NJW 86, 3131, 3133 f; NJW-RR 89, 685; anders, wenn Höchstbetragsbürgschaften – s.u. Rn 28 – abweichend von den Anteilen gestellt wurden: BGH NJW 17, 557, 558 [BGH 27.09.2016 - XI ZR 81/15]). Dies gilt auch, wenn sich die Anteile nachträglich geändert haben (BGH MDR 73, 927, 928; Köln NJW 95, 1685 [OLG Köln 26.08.1994 - 19 U 194/93]) oder sich nur ein Teil der Gesellschafter für die Verbindlichkeit verbürgt hat (Frankf MDR 68, 838).
Rn 27
Entlässt der Gläubiger einen Mitbürgen aus der Haftung, so berührt dies die Ausgleichsverpflichtung unter den Mitbürgen idR nicht (BGH ZIP 16, 2357 Rz 23 und NJW 92, 2286, 2287). Gläubiger und Mitbürge können allerdings vereinbaren, dass der Erlassvertrag Gesamtwirkung iSv § 423 für alle Mitbürgen hat. Für die Auslegung eines Erlassvertrages idS müssen konkrete Anhaltspunkte vorhanden sein (BGH NJW 86, 1097, 1098 [BGH 19.12.1985 - III ZR 90/84]; 92, 2286, 2287 [BGH 11.06.1992 - IX ZR 161/91]).
Rn 28
Haben sich mehrere Bürgen mit unterschiedlichen Haftungshöchstgrenzen verbürgt, richtet sich der Innenausgleich – vorbehaltlich einer abw Einigung – proportional nach dem jeweiligen Anteil am Haftungsrisiko (sog Quotenmodell: BGHZ 137, 292, 294 ff – im Gegensatz zum Stufenmodell: RGZ 81, 414, 421 ff –; MüKoBGB/Habersack § 774 Rz 28 f; eingehend u mit Berechnungsbeispielen Glöckner ZIP 99, 821 ff; Staud/Stürner § 774 Rz 55f). Dabei sind die Sicherheiten zu berücksichtigen (BGH NJW 09, 437, 438 [BGH 09.12.2008 - XI ZR 588/07]).
Rn 29
Befriedigt ein Mitbürge den Gläubiger nur teilweise, steht ihm – in Abweichung von § 426 (BGH WM 61, 1170, 1172) – grds ein Rückgriffsanspruch gegen die übrigen Mitbürgen zu: insb auch dann, wenn die Teilzahlung nicht den Betrag übersteigt, der auf ihn im Verhältnis der Mitbürgen untereinander entfällt (BGHZ 23, 361, 364; 00, 1034, 1035). In zwei Ausnahmefällen genießt der Mitbürge dieses Privileg nicht: (1.) Der Ausgleichsanspruch wird auf den seinen Anteil an der gesamten Schuld übersteigende Leistung beschränkt, wenn der Hauptschuldner zahlungsunfähig ist (BGH NJW 86, 1097, 1098 [BGH 19.12.1985 - III ZR 90/84]; Köln NJW 95, 1685, 1686 [OLG Köln 26.08.1994 - 19 U 194/93]). (2.) Ein Mitbürge, dessen Zahlungsunfähigkeit feststeht, kann für eine an den Gläubiger geleistete, seine Haftungsquote im Innenverhältnis zu seinen Mitbürgen nicht erreichende Teilzahlung so lange keinen Ausgleichsanspruch geltend machen, als nicht feststeht, in welcher Höhe auch die Mitbürgen noch aufgrund ihrer Bürgschaft an den Gläubiger zahlen müssen (BGHZ 83, 206, 210).
Rn 30
Scheidet ein bürgender Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, sind die verbleibenden Gesellschafter ihm ggü zur Freistellung verpflichtet. Hat der ausgeschiedene Gesellschafter bezahlt, wird er meist aufgrund impliziter Vereinbarung iSv § 426 I 1 – oder Erlassvertrag (§ 397) – in voller Höhe bei den verbleibenden Gesellschafter-Bürgen Regress nehmen können (BGH NJW-RR 89, 685; DStR 98, 539; LG Stuttgart NJW-RR 00, 623, 624 [LG Stuttgart 02.03.1999 - 7 O 429/98]). Hat sich neben einem Gesellschafter einer OHG noch ein Dritter für eine Verbindlichkeit der OHG verbürgt, so haftet im Innenverhältnis allein der Gesellschafter (BGH WM 59, 229; NJW 86, 1097, 1098 [BGH 19.12.1985 - III ZR 90/84]).
Rn 31
Aufgrund der Unanwendbarkeit der §§ 774 I, 412, 401 ff hat der zahlende Mitbürge gegen die übrigen Mitbürgen keinen Auskunftsanspruch nach §§ 402, 403. Er hat aber einen Anspruch gegen den Gläubiger auf Mitteilung der noch vorhandenen Mitbürgen (Braunschw SeuffA 61 Nr 132 232, 233).