Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 1
Die Zeitbürgschaft bietet dem Gläubiger nur eine Sicherheit auf Zeit, die es ihm ermöglichen soll, dem Hauptschuldner während der bestimmten Zeit Kredit zu gewähren (BGHZ 91, 349, 355; Mugdan Bd 2, 1031). § 777 enthält eine gesetzliche Auslegungsregelung zugunsten des Gläubigers: Entgegen §§ 163, 158 II wird der Bürge nicht allein durch den Eintritt des Endtermins frei, sondern nur dann, wenn der Gläubiger die in § 777 beschriebenen Maßnahmen – das Betreiben der Einziehung der Hauptforderung und/oder die unverzüglich nach Ablauf der Zeit mögliche Anzeige an den Bürgen (s Rn 11 ff) – nicht unverzüglich durchführt (BGH DB 66, 1053; BGHZ 76, 81, 85). Die Regelung in II begrenzt den Umfang der Bürgenhaftung als Rechtsfolge einer rechtzeitigen Anzeige.
Rn 2
Nach ihrem Wortlaut bezieht sich die Bürgschaft auf eine im Zeitpunkt der Bürgschaft schon bestehende Verbindlichkeit. § 777 ist aber auch auf eine Bürgschaft für künftige Verbindlichkeiten anwendbar (RGZ 82, 382, 384). Allerdings muss im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob die Parteien eine Zeitbürgschaft iSd § 777 vereinbaren wollten oder lediglich eine gegenständliche Beschränkung der Bürgschaft bezweckten (s Rn 6 f).
Rn 3
Die Vorschrift ist entspr auf die zeitlich begrenzte (wie die Bürgschaft akzessorische) Verpfändung anwendbar (vgl RGZ 68, 141, 145 f; Staud/Stürner § 777 Rz 23), nicht hingegen auf die nach Art 1 Nr 2, 17, 32 I, II WG abstrakte Wechselbürgschaft (RGZ 74, 351, 352) und den eine selbstständige Schuld (Vor § 765 Rn 53 ff) begründenden Schuldbeitritt (Hambg HRR 1934 Nr 1199; Staud/Stürner § 777 Rz 23; aA MüKoBGB/Habersack § 777 Rz 3).
Rn 4
Die Regelung in § 777 ist begrenzt dispositv: Die Parteien können individualvertraglich vereinbaren, dass die Inanspruchnahme in Abweichung von I 2 bis zum Ablauf der bestimmten Zeit erfolgen muss, mit der Folge, dass der Bürge ohne Anzeige mit Ablauf der Frist frei wird (BGHZ 99, 288, 291; 139, 325, 329; NJW-RR 89, 1324, 1326). Endet die Frist in solchen Fällen an einem Sonn- oder Feiertag, ist § 193 anwendbar (BGHZ 99, 288, 291): Die Frist endet am nächsten Werktag. Wird das Anzeigeerfordernis ganz abbedungen (Grüneberg/Sprau § 777 Rz 2), so ist die Bürgschaft unbefristet und nur gegenständlich beschränkt (s Rn 6; Köln NJW 85, 2722, 2723; s.a. Hamm NJW 90, 54, 55 [OLG Hamm 08.05.1989 - 31 U 250/88]).
Rn 5
Dementspr kann die formularmäßige Abbedingung des Anzeigeerfordernisses bei einer Zeitbürgschaft ›typengehaltändernd‹, damit überraschend iSv § 305c (BGH NJW 04, 2232, 2234 [BGH 15.01.2004 - IX ZR 152/00]: bezweckt das Gegenteil des vom Bürgen gewollten) und unangemessen iSv § 307 II sein (Köln NJW 85, 2722 f; Tiedtke NJW 05, 2498, 2501; Voss MDR 90, 495, 497f [OLG Hamm 08.05.1989 - 31 U 250/88]).