Prof. Dr. Eckart Brödermann
Gesetzestext
Wer einen anderen beauftragt, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung einem Dritten ein Darlehen oder eine Finanzierungshilfe zu gewähren, haftet dem Beauftragten für die aus dem Darlehen oder der Finanzierungshilfe entstehende Verbindlichkeit des Dritten als Bürge.
A. Überblick: Bedeutung und Gegenstand.
Rn 1
Der Kreditauftrag ist ein Auftrag iSd § 662 (oder Geschäftsbesorgungsvertrag iSd § 675), der sich aufgrund der in § 778 vorgeschriebenen Rechtsfolge von einem gewöhnlichen Auftrag unterscheidet. An die Stelle der Haftung aus §§ 670, 675 tritt die Haftung als Bürge aus §§ 765 ff (vgl zur Entstehungsgeschichte RGZ 50, 160f). Die Vorschrift ist dispositiv. Die praktische Bedeutung von § 778 in der Wirtschaft ist gering, da Banken idR gesonderte Bürgschaftsverträge abschließen (BuB Rz 4/1261).
Rn 2
Der Begriff der Gewährung eines Darlehens oder einer Finanzierungshilfe wird weit ausgelegt: Darunter fällt (1.) die Gewährung eines Darlehens iSv § 488 I (vgl BGH WM 84, 422, 423), (2.) die Gewährung einer Finanzierungshilfe iSv § 499 (zB Warenkredit: RGZ 87, 144, 146: ›Sendet sofort Ware per Eilgut‹; Hambg VersR 84, 795), (3.) die Erweiterung oder Verlängerung eines Darlehens oder einer Finanzierungshilfe (Staud/Stürner § 778 Rz 2) und (4.) die Zusage, auf Verlangen ein Darlehen oder eine Finanzierungshilfe zu gewähren (Krediteröffnungsauftrag; Staud/Stürner aaO). Ist das Darlehen oder die Finanzierungshilfe bei Vertragsschluss bereits gewährt worden, handelt es sich nicht um einen Kreditauftrag (RGZ 56, 130, 132); in Betracht kommt die Übernahme einer Bürgschaft (s Rn 4).
B. Zustandekommen, Formfreiheit, Abgrenzung zu anderen Vertragstypen.
Rn 3
Ein Kreditauftrag liegt vor, wenn der Beauftragte (zB eine Bank) ein Vertragsverhältnis eingeht (RGZ 56, 130, 135; BGH WM 56, 463, 465; 1211, 1212; Köln DB 83, 104), aufgrund dessen er sich zur Gewährung eines Darlehens oder einer Finanzierungshilfe an einen Dritten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung verpflichtet. Das Angebot des Auftraggebers muss einen auf die Übernahme der Bürgschaft gerichteten Verpflichtungswillen erkennen lassen (BGH WM 56, 463, 465; 60, 879, 880; aA Frankf NJW 67, 2360, 2361). Eine Ermächtigung zur Kreditgewährung oder Empfehlung genügt nicht (BGH WM 56, 463, 465; 56, 1211, 1212). Das bloße Bestehen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses des Auftraggebers an der Kreditgewährung stellt ein Indiz für einen Verpflichtungswillen dar, ist aber allein nicht ausreichend (BGH WM 56, 1211, 1212; 60, 879, 880; aA Frankf NJW 67, 2360, 2361 [OLG Frankfurt am Main 05.07.1967 - 11 U 94/66]); weitere Indizien müssen hinzutreten, zB der Wille zur Rückstellungsbildung für Ansprüche der Auftragsnehmerin aus §§ 778, 765 (Hambg VersR 84, 795). Das Vertragsverhältnis kommt dadurch zustande, dass der Beauftragte das Auftragsangebot annimmt (BGH WM 60, 879, 880). Die Annahme kann konkludent erfolgen, zB durch die Einräumung des Darlehens oder der Finanzierungshilfe (BGH WM 56, 463, 465).
Rn 4
Die Haftung des Auftraggebers ›als Bürge‹ ist gesetzliche Folge des Kreditauftrags und nicht Vertragsinhalt. Der Kreditauftrag kann im Gegensatz zur nicht kaufmännischen Bürgschaft (§ 766) formlos erteilt werden (RGZ 50, 160; BGH NJW 72, 576, 577 [BGH 19.01.1972 - VIII ZR 111/70]). Für die Abgrenzung zwischen Kreditauftrag und Bürgschaft kommt es auf eine Auslegung der Erklärung im Einzelfall an (BGH WM 56, 1211, 1212). Als Indiz für die Einordnung eines Rechtsgeschäftes als Kreditauftrag gilt die Veranlassung zu der Kreditgewährung durch den Auftraggeber (BGH WM 60, 879, 880); das Eigeninteresse des Auftraggebers an der Kreditgewährung genügt allein nicht (BGH WM 56, 1211, 1212; aA Frankf NJW 67, 2360, 2361 [OLG Frankfurt am Main 05.07.1967 - 11 U 94/66]). Ein solches Eigeninteresse ist aber Voraussetzung für die mögliche Umdeutung einer formnichtigen Bürgschaft in einen Kreditauftrag (BeckOKBGB/Rohe § 778 Rz 3). Wollte sich der ›Auftraggeber‹ schlechthin und unwiderruflich binden, kann das Rechtsverhältnis auch als Garantie (s Vor § 765 Rn 51 f) zu qualifizieren sein (Staud/Stürner § 778 Rz 9).
Rn 5
Handelt der Beauftragte im Namen des Auftraggebers oder soll der Beauftragte auf Rechnung des Auftraggebers Kredit gewähren, liegt kein Kreditauftrag vor (Staud/Stürner § 778 Rz 9). Ebenfalls vom Kreditauftrag zu unterscheiden ist der Akkreditivauftrag (s § 783 Rn 20).
C. Rechtsfolge: Anwendbare Rechtsvorschriften.
Rn 6
Auf den Kreditauftrag ist das Auftragsrecht anwendbar, das aber durch § 778 – und ggf weiter durch Parteivereinbarung – modifiziert wird: Es gelten (1.) §§ 662–668 und (2.) §§ 672–675, nicht aber die Vorschusspflicht aus § 669, da dies dem Sinn des Kreditauftrags widerspräche (Grüneberg/Sprau § 778 Rz 3) und der Aufwendungsersatzanspruch aus § 670, da diese Vorschrift von den §§ 765 ff verdrängt wird (Erman/Zetzsche § 778 Rz 4). Für § 671 (Widerruf des Auftraggebers, Kündigung des Auftragnehmers) ist zu unterscheiden: (1.) Er gilt uneingeschränkt für unentgeltliche Kreditaufträge. (2.) Für entgeltliche Kreditaufträge gilt § 671 I aufgrund der eingeschränkten Verweisung in § 675 nicht: Ein Kündigungsrecht aus wichtig...