Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 5
Das Rechtsverhältnis muss der Dispositionsbefugnis der Parteien unterliegen. Sie fehlt, wenn Rechte Dritter (s Rn 14) oder zwingendes Recht betroffen sind. Bsp:
Rn 6
Gesellschaftsrecht: (1.) Im Aktienrecht wird (a) die Befugnis zum Abschluss eines Vergleichs zunächst eingeschränkt durch § 50 AktG (Ersatzansprüche gegen Gründer), § 53 AktG (Ersatzansprüche bei Nachgründung), § 93 III AktG (Ersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder), § 302 III AktG (Ausgleichsanspruch bei Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag), §§ 309 III, 310 IV, 317 IV, 318 IV AktG (Ersatzansprüche gegen gesetzliche Vertreter im Konzern). Eine Reihe weiterer Bestimmungen lassen (b) zwar den Vergleichsabschluss zu, schließen jedoch die Wirkung des Vergleichs oder Verzichts ggü Gläubigern der Gesellschaft aus: §§ 93 V AktG (Ersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder), § 117 V AktG (Schadensersatzpflicht bei unrechtmäßiger Beeinflussung), §§ 309 IV, 310 IV, 317 IV, 318 IV AktG (Ersatzansprüche gegen gesetzliche Vertreter im Konzern). Entspr Begrenzungen für Vergleiche über Ersatzansprüche enthalten im GmbH-Recht zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger §§ 9b I, 43 III 2, 64 S 4 GmbHG. Hingegen ist der Vergleich über einen Differenzhaftungsanspruch zulässig (BGH NJW-RR 12, 866 [BGH 06.12.2011 - II ZR 149/10]: bei der AG ohne Zustimmung der Hauptversammlung). (2.) Ein Vergleich über die Verpflichtung zur Leistung der Einlage bzw über die Erstattung verbotener Rückzahlungen ist nach § 19 II GmbHG und §§ 54, 65 f AktG grds unzulässig. Ob dies auch für einen Vergleich gelten soll, durch den eine begründete Rechtsunsicherheit über die bestehenden Verpflichtungen beseitigt werden soll, ist str (dafür: RGZ 79, 271, 274; BayObLG DB 85, 107; Hamm GmbH-Rdsch 88, 308 [OLG Hamm 16.11.1987 - 8 U 338/86]; MüKoBGB/Habersack § 779 Rz 10; dagegen: Staud/Hau § 779 Rz 32). Gegen eine Zulässigkeit sprechen sowohl der Wortlaut als auch der Gläubiger schützende Zweck der gesetzlichen Kapitalisierungsvorschriften, die grds nicht zur Disposition der Gesellschaft und der Gesellschafter stehen. (3.) Ein Vergleich im Rechtsstreit über die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses, der eine Änderung oder Aufhebung desselben herbeiführen soll, ist aufgrund mangelnder Dispositionsbefugnis der Parteien unzulässig (BGHZ 132, 278, 283f). Bleibt aber der Hauptversammlungsbeschluss durch den Vergleich unberührt, ist zB die Vereinbarung der Klagrücknahme gegen Kostenbeteiligung zulässig (Staud/Hau § 779 Rz 31). (4.) Im Falle der Insolvenz umfasst die Ermächtigungswirkung des § 93 InsO die Befugnis des Insolvenzverwalters, sich mit den Gesellschaftern über die einzelnen Forderungen der Gesellschaftsgläubiger zu vergleichen (BGH NZG 16, 430 [BGH 17.12.2015 - IX ZR 143/13] Rz 22).
Rn 7
Im Arbeitsrecht können sich nach § 4 IV TVG die Parteien über tarifliche Rechte nur mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien vergleichen.
Rn 8
Im Familienrecht besteht keine Dispositionsbefugnis (1.) bei Statusverhältnissen (Abstammung: RGZ 164, 62, 63; BGH NJW 95, 2921, 2922; Ehe: BGHZ 15, 190, 192), (2.) bei gesetzlichem Unterhaltsanspruch für die Zukunft (§ 1614). Demgegenüber ist ein Vergleich möglich über (1.) Unterhaltsanspruch nach der Scheidung (§ 1585c), (2.) den das gesetzliche Mindestmaß überschreitenden Teil des zukünftigen Kindesunterhaltes und (3.) das Umgangsrecht der Eltern iSv § 1684 (Erman/Müller § 779 Rz 5 mwN).
Rn 9
Im Erbrecht ist ein Vergleich nur teilweise möglich. Zulässig: Vergleich über (1.) Gültigkeit und Auslegung eines Testaments (BGH NJW 86, 1812, 1813 [BGH 22.01.1986 - IVa ZR 90/84]; s Thonemann NotBZ 06, 268) oder über (2.) erbrechtliche Gestaltungsrechte wie das Anfechtungsrecht oder die Ausschlagung (BayObLG 97, 217). Unzulässig: Vergleich über den Nachlass eines noch lebenden Dritten (§ 311b IV) oder Vergleich, der ein nicht bestehendes Erbrecht mit dinglicher Wirkung begründen soll (BayObLG 66, 233, 236).