Prof. Dr. Eckart Brödermann
1. Begriff, Bedeutung.
Rn 30
Der Anwaltsvergleich iSv §§ 796a–c ZPO ist ein Vergleich, der außergerichtlich von Rechtsanwälten im Namen und mit Vollmacht ihrer Parteien abgeschlossen wird (BTDrs 13/5274 29; Zö/Geimer § 796a Rz 1; Anders/Gehle/Schmidt ZPO § 796a Rz 1f).
Rn 31
Sinn und Zweck des Anwaltsvergleichs ist es, die sofortige Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich ohne eine Entscheidung des Gerichts im Erkenntnisverfahren zu ermöglichen (Anders/Gehle/Schmidt ZPO § 796a Rz 2; Zö/Geimer § 796a Rz 2). Damit sollen gerichtliche Verfahren vermieden und die Justiz entlastet werden (Halle NJW 99, 3567 [LG Halle 06.09.1999 - 9 O 132/99]; MüKoZPO/Wolfsteiner § 796a Rz 1). Vollstreckbar werden Anwaltsvergleiche erst mit dem Beschl nach § 796b II 2 ZPO bzw § 796c I ZPO.
2. Voraussetzungen § 796a ZPO.
a) Vergleich iSd § 779 I.
Rn 32
Der Anwaltsvergleich muss die Voraussetzungen der Legaldefinition des Vergleiches nach § 779 I erfüllen (s Rn 4 ff).
b) Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung.
Rn 33
Notwendig für einen Anwaltsvergleich ist, dass sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft (Zö/Geimer § 796a Rz 12; Stein/Jonas/Münzberg § 796a Rz 7; Thomas/Putzo/Seiler § 796a Rz 6). Gegenstand der Unterwerfung kann jeder einer Vollstreckung zugängliche Anspruch sein (Anders/Gehle/Schmidt ZPO § 796a Rz 6), der im Vergleich konkret bezeichnet werden muss (MüKoZPO/Wolfsteiner § 796a Rz 4).
Rn 34
Nach § 796a II ZPO dürfen Vergleiche, die auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet sind oder den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betreffen, nicht für vollstreckbar erklärt werden.
c) Anwaltliche Vertretung.
Rn 35
Beim Abschluss des Anwaltsvergleichs (nicht notwendigerweise beim Zustandekommen, vgl Zö/Geimer § 796a Rz 11) muss für jede Partei ein von ihr bevollmächtigter und in ihrem Namen tätiger, ordnungsgemäß zugelassener Anwalt gehandelt haben (ThoPu/Seiler § 796a Rz 5; MüKoZPO/Wolfsteiner § 796a Rz 7 f; Anders/Gehle/Schmidt ZPO § 796a Rz 7).
d) Form.
Rn 36
Der Anwaltsvergleich ist in Schriftform abzufassen (arg Wortlaut des § 796a ZPO; Zö/Geimer § 796a Rz 13).
3. Vollstreckbarerklärung.
Rn 37
Der Anwaltsvergleich ist in Urschrift oder notarieller Ausfertigung und unter Datumsangabe seines Zustandekommens beim zuständigen Amtsgericht niederzulegen (Stein/Jonas/Münzberg § 796a Rz 8). Zuständig ist nach Wahl der niederlegenden Partei jedes Amtsgericht, bei dem eine der Vergleichsparteien bei Vertragsabschluss ihren allg Gerichtsstand hatte (MüKoZPO/Wolfsteiner § 796a Rz 10). Der Vergleich kann jedoch nach § 796c ZPO mit Zustimmung der Parteien auch einem Notar zur Verwahrung übergeben werden; der Notar muss seinen Amtssitz am Sitz des zuständigen Amtsgerichtes haben. Eine Frist für die Niederlegung ist nicht einzuhalten (Thomas/Putzo/Seiler § 796a Rz 7).
Rn 38
Die Vollstreckbarkeit wird auf Antrag einer Partei vom Gericht (§ 796b ZPO) oder vom Notar (§ 796c ZPO) erklärt (Anders/Gehle/Schmidt ZPO § 796a Rz 12).
Rn 39
Ausschlussgründe für die Vollstreckbarerklärung normiert § 796a III ZPO (Unwirksamkeit des Vergleichs; Verstoß gegen die öffentliche Ordnung). Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) ist gegeben, wenn die Vollstreckbarerklärung des Vergleichs zu einem Ergebnis führt, dass mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insb mit den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist, vgl § 328 I Nr 4 ZPO. Der Verstoß gegen die öffentliche Ordnung führt jedoch nicht notwendigerweise zur Unwirksamkeit des Vergleichs (Thomas/Putzo/Seiler § 796a Rz 10).
4. Unterschiede zum Prozessvergleich (§ 794 I Nr 1 ZPO).
Rn 40
Der Prozessvergleich beendet ein anhängiges Verfahren vor einem staatlichen Gericht, wohingegen der Anwaltsvergleich (1.) kein rechtshängiges Verfahren voraussetzt und (2.) auch nach Rechtshängigkeit noch zulässig ist (Zö/Geimer § 796a Rz 2). Zu weiteren Unterschieden s Rn 31, Rn 34.