Prof. Dr. Eckart Brödermann
1. Sittenwidrigkeit.
Rn 27
Bei der Beurteilung, ob ein Vergleich aufgrund des Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung sittenwidrig ist, darf nicht auf die beiderseits übernommenen Leistungen abgestellt werden. Stattdessen ist das Verhältnis des beiderseitigen Nachgebens maßgeblich (RGZ 156, 265, 267; BGH NJW 99, 3113; Hamm VersR 09, 532, 533 stellt auf das Prozessrisiko ab). Sittenwidrigkeit scheidet idR aus, wenn der Vergleich seinem Inhalt nach aus der Sicht beider Parteien bei Vergleichsabschluss als sachgerechte Bereinigung des Streitfalls erschien (BGH NJW 99, 3113). Dies wird vermutet (BGH NJW 12, 2099, 2102 [BGH 08.03.2012 - IX ZR 51/11]). Soll der Vergleich den Parteien allerdings Vorteile aus einem verbotenen oder sittenwidrigen Geschäft erhalten oder verschaffen, so ist er unwirksam (BGH NJW-RR 89, 1143).
2. Anfechtung und Drohung.
Rn 28
Die Vorschriften über die Anfechtung (§§ 119 ff) sind anwendbar. Allerdings scheidet eine Irrtumsanfechtung nach § 119 aus, wenn sich der Irrtum der anfechtenden Partei auf einen Umstand bezieht, der gerade in dem Vergleich Gegenstand der Regelung des ungewissen oder streitigen Sachverhaltes war (RGZ 162, 198, 201 f; Ddorf BauR 12, 106, 114). Demggü kann eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 I Alt 1 auch über den str oder mit Ungewissheit behafteten Punkt erfolgen (RG JW 27, 1993; BGH NJW-RR 86, 1258, 1259 [BGH 18.06.1986 - IVb ZR 47/85]); die Beweislast trägt der Anfechtende (s Brandbg 4 U 88/01 v 18.7.07: kein Anscheinsbeweis). Haben die Parteien aber einen Vergleich zur Bereinigung der durch eine Täuschung entstandenen zweifelhaften Lage geschlossen, so fehlt es an der für die Anfechtung notwendigen Kausalität zwischen Vergleichsabschluss und Täuschung (BGH NJW-RR 89, 1143; Erman/Müller § 779 Rz 33). Zur Anfechtung wegen Drohung (§ 123 I Alt 2) durch den Richter beim Vergleichsabschluss s BAG NZA 2010, 1250, 1254 [BAG 12.05.2010 - 2 AZR 544/08].
3. Störung (Wegfall) der Geschäftsgrundlage.
Rn 29
Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 779 kann einem Vergleich die Geschäftsgrundlage fehlen (BGH NJW 00, 2497, 2498 [BGH 08.12.1999 - I ZR 230/97]) und eine Anpassung des Vergleichs nach § 313 notwendig werden (BGH NJW 13, 1530, 1532 [BGH 20.03.2013 - XII ZR 72/11] wegen Auswirkung der Änderung langjähriger Rspr auf ein Dauerschuldverhältnis; NJW-RR 08, 1716, 1717 [BGH 16.09.2008 - VI ZR 296/07]). Allerdings muss in solchen Fällen die vertragliche Risikoverteilung eingehend untersucht werden (s zB BGH NJW-RR 08, 649). So scheidet ein Wegfall der Geschäftsgrundlage bspw aus, wenn die Parteien bereits im Vergleichsinhalt eine Regelung für das Fehlen, den Wegfall oder die Veränderung bestimmter Umstände vereinbart haben (BGHZ 61, 153, 162; WM 71, 1120, 1121; BAG NJW 01, 1297, 1300; Staud/Marburger § 779 Rz 86).