Prof. Dr. Petra Buck-Heeb
1. Grundverpflichtung.
Rn 6
Dem selbstständigen Schuldversprechen oder -anerkenntnis kann eine Verpflichtung zur Leistung aus jedem privatrechtlichen Schuldverhältnis zugrunde liegen. Ob der Anspruch aus der Grundverpflichtung schon verjährt ist (BGH NJW 73, 1960, 1961) und ob die Verjährung bekannt ist oder nicht (BGH WM 86, 429, 430), ist unerheblich. Grundlage können auch andere unvollkommene Verbindlichkeiten sein (RGZ 160, 134, 138: Restforderung nach Zwangsvergleich); ebenso öffentlich-rechtlich begründete Leistungen, allerdings wird hier nur selten ein abstraktes privatrechtliches Versprechen oder Anerkenntnis gegeben sein (abl LSG Niedersachsen-Bremen L 1 KR 72/09; Celle BauR 17, 1686 Rz 49; krit auch BeckOKBGB/Gehrlein Rz 9). Angenommen werden soll das etwa bei einem Baudispensvertrag (KG NJW 62, 965f). Steht an Stelle eines Verwaltungsakts ein privatrechtliches Versprechen oder Anerkenntnis, besteht hinsichtlich der Zahlungsklage des Gläubigers sowie der Vollstreckungsabwehrklage des Schuldners die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (BGHZ 102, 343, 344 f; NJW 94, 2620, 2621; BVerwG NJW 94, 2909).
2. Abstraktionswille.
Rn 7
Die Parteien müssen neben der Grundverpflichtung eine neue, vom Grundgeschäft losgelöste, selbstständige Verpflichtung eingehen wollen (BGH NJW 08, 1589, 1590 [BGH 14.01.2008 - II ZR 245/06]). Die mit dem Versprechen übernommene Verpflichtung muss von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen derart losgelöst sein (BGH NJW 99, 574, 575 [BGH 14.10.1998 - XII ZR 66/97]), dass der Gläubiger sich zur Geltendmachung des Anspruchs lediglich auf das Schuldversprechen oder -anerkenntnis berufen muss (BGH NJW 76, 567 f [BGH 21.01.1976 - VIII ZR 148/74]; München, 24.9.2015 – 23 U 3926/14, juris Rz 37). Ob ein Wille zur Abstraktion vorliegt, ist Auslegungsfrage. Er kann sich aus dem Wortlaut, dem Anlass des Vertrags, dem bezweckten Erfolg, der beiderseitigen Interessenlage oder sonstigen Umständen, die auch außerhalb der Urkunde liegen können, ergeben (BGH NJW-RR 95, 1391, 1392; BGHZ 161, 273, 279). Die Abstraktion muss notwendig sein, um den Vertragszweck zu verwirklichen.
Rn 8
Ein Indiz ist nach hM ferner, wenn in der Urkunde der Schuldgrund nicht oder nur allg benannt ist (BGH NJW 99, 574, 575 [BGH 14.10.1998 - XII ZR 66/97]) oder fingiert wurde (BGH NJW 80, 1158, 1159 [BGH 05.12.1979 - IV ZR 107/78]); s aber Rn 10 zum Formerfordernis des § 518 I 2 bei Unentgeltlichkeit. Ansonsten liegt nur ein kausaler Versprechens- oder Anerkenntnisvertrag vor. Wird der Schuldgrund genannt, kann das im Zweifel dahingehend ausgelegt werden, dass kein selbstständiges Schuldversprechen, sondern lediglich eine Beweisurkunde gewollt ist (BGH NJW 02, 1791, 1792). Allerdings können die Umstände auch die Annahme einer abstrakten Verpflichtung nahelegen (BGH BB 62, 1222: Darlehen; Brandbg WM 03, 132: Saldenbestätigung bei unklarer Sachlage). Wird der Verpflichtungsgrund dagegen exakt bezeichnet (BGH NJW 99, 574, 575 [BGH 14.10.1998 - XII ZR 66/97]: Morgengabe), müssen für die Annahme eines selbstständigen Schuldversprechens besondere Umstände vorliegen, die vom Gläubiger zu beweisen sind (RGZ 142, 303, 306). Sind in der Urkunde wahrheitswidrige Angaben enthalten (BGH BB 62, 1222) oder wird eine Schuld begründende Tatsache wahrheitswidrig anerkannt (BGH NJW 80, 1158, 1159 [BGH 05.12.1979 - IV ZR 107/78]: Bestätigung eines Darlehenserhalts), soll das Indiz für ein selbstständiges Schuldversprechen oder -anerkenntnis sein. Ein Anhaltspunkt bei der Auslegung ist häufig der Zweck des Rechtsgeschäfts, etwa Erleichterung der Klagebegründung oder die finanzielle Absicherung durch Übertragung des hälftigen Grundstückswerts (Saarbr OLGRep 08, 285). Geschäfte, die nur eine bestehende Verbindlichkeit sichern sollen, enthalten regelmäßig kein selbstständiges Versprechen. Weder für noch gegen ein selbstständiges Schuldversprechen besteht eine gesetzliche Vermutung (Ddorf NJW-RR 09, 1380 ff [OLG Düsseldorf 18.12.2008 - I -5 U 88/08]). Auch Bewilligung von Ratenzahlung ist unschädlich (BGH NJW 00, 2984, 2985 [BGH 04.04.2000 - XI ZR 152/99]).