Prof. Dr. Petra Buck-Heeb
Gesetzestext
1Der Anweisende kann die Anweisung dem Angewiesenen gegenüber widerrufen, solange nicht der Angewiesene sie dem Anweisungsempfänger gegenüber angenommen oder die Leistung bewirkt hat. 2Dies gilt auch dann, wenn der Anweisende durch den Widerruf einer ihm gegen den Anweisungsempfänger obliegenden Verpflichtung zuwiderhandelt.
A. Erklärung des Widerrufs.
Rn 1
Die lediglich Ermächtigungen, aber grds keine Verpflichtungen begründende Anweisung kann ggü dem Angewiesenen bis zur Annahme oder Leistung grds widerrufen werden. Das gilt nach § 790 2 selbst dann, wenn den Anweisenden ggü dem Anweisungsempfänger (Valutaverhältnis) eine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Anweisung trifft (zB Kreditbrief). Diese Regelung dient dem Interesse des Angewiesenen, der nicht nachzuprüfen braucht, ob der Anweisende zum Widerruf berechtigt war oder nicht. Allerdings gilt § 790 2 nur, solange der Angewiesene nicht angenommen oder geleistet hat.
Rn 2
Auch der Widerruf einer kaufmännischen Anweisung ist bis zur Annahme oder Leistungsbewirkung nach § 790 möglich. Teilweise wird § 790 1 auf das Akkreditiv entspr angewendet, so dass es bis zur Akkreditiveröffnung als Annahme widerruflich gesehen wird (Erman/Wilhelmi Rz 1; Staud/Marburger Rz 11; BeckOKBGB/Gehrlein Rz 3; aA Grüneberg/Sprau Rz 1). Hinsichtlich des Schecks ist in Abweichung von § 790 ein Widerruf erst nach Ablauf der Vorlegungsfrist wirksam (Art 32 I ScheckG). Der bargeldlosen Zahlung mittels Kredit-, Geld- oder ec-Karte liegt nicht eine Anweisung iSd § 783 zugrunde, sondern lediglich eine konkretisierende Wirkung im Vertragsverhältnis zwischen Karteninhaber und -aussteller (BGHZ 152, 75, 80; aA Soergel/Schnauder § 783 Rz 56). Ein Widerruf dieser Weisung richtet sich daher nicht nach § 790. Vielmehr folgt der grds Ausschluss eines Widerrufs durch den Karteninhaber aus der Funktion der Kredit-, Geld- oder ec-Karte, eine Barzahlung (wirtschaftlich) zu ersetzen (BGHZ 152, 75, 81). Gesetzlich fixiert ist das nun in § 675p II 1.
Rn 3
Der Widerruf hat durch einseitige, empfangsbedürftige, formfreie Erklärung ggü dem Angewiesenen zu erfolgen (BeckOGKBGB/Körber Rz 12). Weder ist nach dem Gesetzeswortlaut ein Widerruf ggü dem Anweisungsempfänger noch dessen Benachrichtigung vom Widerruf erforderlich. Allerdings soll nach einer Ansicht das Vertrauen des Empfängers nach §§ 170, 171 II, 172 II, 173 analog zu schützen sein (MüKo/Habersack Rz 4 aE; Staud/Marburger Rz 3; Soergel/Schnauder Rz 7). Eine Pflicht zur Benachrichtigung des Anweisungsempfängers kann sich aus dem Valutaverhältnis ergeben. Ein lediglich diesem ggü erklärter Widerruf ist anweisungsrechtlich nicht wirksam (Staud/Marburger Rz 3 auch zur aA).
B. Rechtsfolgen des Widerrufs.
Rn 4
Durch den Widerruf erlischt die Anweisung. Nimmt der Angewiesene trotz des Widerrufs die Anweisung an oder zahlt an den Empfänger, befreit ihn das bei einer Anweisung auf Schuld nicht von seiner Verbindlichkeit ggü dem Anweisenden (Deckungsverhältnis). Weder nach Anweisungsrecht noch aus GoA (aA Grüneberg/Sprau Rz 4; aA BeckOGKBGB/Körber Rz 15) hat er einen Rückgriffsanspruch ggü dem Anweisenden. Umstr ist, ob dem Angewiesenen ein Bereicherungsanspruch ggü dem Anweisenden oder ggü dem Anweisungsempfänger zusteht. Wer Schutzwürdigkeit analog §§ 170, 171 II, 172 II, 173 bejaht, wird einen Bereicherungsdurchgriff gegen den Anweisungsempfänger ablehnen (MüKo/Habersack Rz 4; Staud/Marburger Rz 4). Bei Bösgläubigkeit ist ein Durchgriff zu bejahen (vgl BGHZ 87, 393, 396 ff; NJW 84, 1348, 1349; 84, 2205).
C. Erlöschen und Ausschluss des Widerrufsrechts.
Rn 5
Nach § 790 1 erlischt das Widerrufsrecht mit der Annahme der Anweisung (§ 784) oder der Leistung durch den Angewiesenen. Das gilt auch bei Annahme und Leistung vor Fälligkeit (BeckOGKBGB/Körber Rz 8). Ein Verzicht auf das Widerrufsrecht ggü dem Anweisungsempfänger hat grds keine Auswirkungen auf das Widerrufsrecht des Anweisenden ggü dem Angewiesenen (Erman/Wilhelmi Rz 1; Staud/Marburger Rz 6). Der Anweisende kann sich dem Anweisungsempfänger ggü lediglich zur Aufrechterhaltung der Anweisung verpflichten. Ein unwiderrufliches Einziehungsrecht erhält der Anweisungsempfänger durch Zession und unwiderrufliche Inkassovollmacht. Der Anweisende kann nach hM ggü dem Angewiesenen auf den Widerruf verzichten; widerruft er dann doch, ist der Widerruf unwirksam. Teilweise wird eine (zugegangene) einseitige Verzichtserklärung des Anweisenden für genügend erachtet, da der Ausschluss für die anderen Beteiligten lediglich vorteilhaft sei (Staud/Marburger Rz 7; aA RGRK/Steffen Rz 3, 4). Daher wird auch ein Verzicht, der in die Anweisungsurkunde aufgenommen ist, als hinreichend angesehen (Staud/Marburger Rz 7; aA RG WarnR 1918 Nr 9).
D. Sonstige Erlöschensgründe bzgl der Anweisung.
Rn 6
Die Anweisung erlischt bei Unmöglichkeit der Leistung an den Anweisungsempfänger. Umstr ist, ob der Untergang der Anweisungsurkunde zum Erlöschen der Anweisung führt (abl Erman/Wilhelmi Rz 5; Staud/Marburger Rz 10; bejahend Grüneberg/Sprau Rz 7). Ansonsten muss bei Verlust der angenommenen Anweisung das Aufgebotsverfahren nach § 808 II, § 365 HGB durchgeführt werden (Staud/Marburger Rz 10...