Prof. Dr. Petra Buck-Heeb
I. Leistungsversprechen.
Rn 10
Inhalt der Schuldverschreibungsurkunde ist das Leistungsversprechen des Ausstellers dem Inhaber der Urkunde ggü. Bei Zweifeln ist deren Inhalt durch Auslegung (§§ 133, 157) zu ermitteln. Diese erfolgt nach objektiven Kriterien. Ausgehend vom Wortlaut können aber auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände (zB Anlass und Zweck der Ausgabe) Berücksichtigung finden (BGHZ 28, 259, 263 f; München WM 98, 1716 ff). Da es sich um massenhaft verwendete Erklärungen handelt, fragt sich, ob die für AGB geltenden Auslegungsgrundsätze herangezogen werden können. Anleihebedingungen von Inhaberschuldverschreibungen sind nach ganz hM als AGB zu sehen (BGHZ 119, 305, 312; Ddorf WM 91, 1375, 1379: für Genussscheinbedingungen; Frankf WM 93, 2089: für Anleihebedingungen). Nach überwiegender Ansicht fallen sie jedoch nicht in den Anwendungsbereich des § 305 II (BGH NJW 05, 2917 ff: funktionale Reduktion der Regelung; Frankf WM 08, 1917, 1918). Zur uneingeschränkten Nachprüfbarkeit der Auslegung durch das Revisionsgericht für im Bundesgebiet verbreitete Schuldverschreibungen s BGHZ 28, 259, 263; NJW 62, 1436, 1437.
Rn 11
Das Leistungsversprechen des Ausstellers, dem Inhaber der Urkunde ggü eine Leistung zu erbringen, braucht nicht ausdrücklich zu erfolgen. Lediglich ein Forderungsrecht kann verbrieft werden (Bambg NJW-RR 89, 1449, 1450). Werden andere Rechte, zB Mitgliedschaftsrechte (Inhaberaktien), verbrieft, kommt eine analoge Anwendung der §§ 793 ff in Betracht. Unerheblich ist die Art der versprochenen Leistung, meist wird eine Geldleistung vorliegen. Möglich sind auch andere Leistungen (zB Inhaberlagerschein, Optionsscheine, die ein Bezugs- oder Veräußerungsrecht auf andere Papiere verbriefen; Grüneberg/Sprau Rz 2). Die Angabe einer bestimmten Geldsumme ist nicht erforderlich. Nicht notwendig, aber zulässig ist die Angabe eines Schuldgrunds, etwa um sich Einwendungen aus dem Kausalverhältnis nach § 796 vorzubehalten. Auch Einschränkungen, wie Bedingungen (zB Dividendenscheine) und Nebenabreden, sind möglich (s aber München NJW-RR 99, 557 [OLG München 22.01.1997 - 7 U 4544/96]: keine Einschränkung bzgl der Steuerfreiheit der Zinsen bei Sozialpfandbriefen).
Rn 12
Die Leistung muss dem Inhaber der Urkunde versprochen werden (Inhaberklausel). Das braucht nicht ausdrücklich und unter Verwendung des Worts ›Inhaber‹ zu erfolgen (zum Inhaber München 17.1.18 – 7 U 1801/17, juris Rz 48). Ausreichend ist, dass aus dem Urkundsinhalt und der Verkehrssitte deutlich wird, dass der Aussteller jedem berechtigten Inhaber verpflichtet sein will. Staatsschuldverschreibungen und Zinsscheine sind daher auf den Inhaber ausgestellt, auch wenn das nicht ausdrücklich erwähnt wird. Zulässig ist es, einen bestimmten Gläubiger in der Urkunde zu nennen, sofern dort gleichzeitig deutlich wird, dass die Verpflichtung zur Zahlung jedem Inhaber ggü besteht. Die Ergänzung ›für Inhaber oder Order‹ macht die Urkunde nicht zum Orderpapier, sofern nicht eine bestimmte Person bezeichnet wird, deren Order maßgeblich sein soll (RGZ 78, 149, 151).
Rn 13
Der Aussteller muss aus dem Inhalt der Urkunde erkennbar sein. An die Person des Ausstellers sind keine Bedingungen geknüpft, allerdings ergeben sich für einige Inhaberpapiere Beschränkungen (zB nach § 14 BBankG für Banknoten). Wollen Eltern, der Betreuer oder der Vormund Aussteller sein, ist für die Ausstellung eine Genehmigung des Familien- bzw des Vormundschaftsgerichts erforderlich (§§ 1643 I, 1854 Nr 3).
II. Form.
Rn 14
Das Leistungsversprechen muss in einer Urkunde enthalten sein. Urkunde ist dabei eine schriftliche Gedankenäußerung, die den Aussteller erkennen lässt und zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist (Staud/Marburger Rz 2). Die Unterschrift des Ausstellers kann abw von § 126 auch durch eine mittels mechanischer Vervielfältigung hergestellte Namensunterschrift (Faksimile) des Ausstellers erfolgen (§ 793 II 2). Eine lediglich in gewöhnlichem Druck hergestellte Namensunterschrift genügt dem Erfordernis des § 793 II 2 nicht. Die mechanische Herstellung der Unterschrift muss allerdings auch dem Willen des Ausstellers entspr. § 793 II findet auf sog kleine Inhaberpapiere des § 807 keine Anwendung. Nach § 793 II 1 kann die Gültigkeit der Unterschrift von der Beobachtung einer in der Urkunde vorgeschriebenen besonderen Form abhängig gemacht werden (zB Erfordernis eines Ausfertigungsvermerks oder Siegels, Unterschrift eines Kontrolleurs). Erforderlich ist, dass in der Urkunde auf die Notwendigkeit einer besonderen Form hingewiesen wird. Art 100 Nr 1 EGBGB sieht einen landesgesetzlichen Vorbehalt vor (keine besondere Vorschrift in der Urkunde notwendig).
III. Entstehung der Verpflichtung.
Rn 15
Für das Entstehen der Verpflichtung ist die Errichtung der Urkunde erforderlich, aber als solche noch nicht ausreichend. Notwendig ist darüber hinaus nach hM ein Begebungsvertrag, dh die vertragliche Begebung des Papiers vom Aussteller an den ersten Nehmer (sog Vertragstheorie; s BGH NJW 73, 282 ff [BGH 30.11.1972 - II ZR 70/71]; Zöllner § 6 V 4). De...