Prof. Dr. Petra Buck-Heeb
Gesetzestext
Der Aussteller kann dem Inhaber der Schuldverschreibung nur solche Einwendungen entgegensetzen, welche die Gültigkeit der Ausstellung betreffen oder sich aus der Urkunde ergeben oder dem Aussteller unmittelbar gegen den Inhaber zustehen.
A. Regelungszweck.
Rn 1
Im Interesse der Umlauffähigkeit und damit zum Zweck des Verkehrsschutzes sind Einwendungen des auf Leistung in Anspruch genommenen Ausstellers gegen den Inhaber der Schuldverschreibung lediglich in bestimmtem Umfang zulässig. Nach einhelliger Meinung ist § 796 über den Wortlaut hinaus korrigierend bzw weiterführend auszulegen (MüKo/Habersack Rz 2) und im Zusammenhang mit § 784 I Hs 2, § 364 II HGB, Art 17 WG, Art 22 ScheckG zu sehen.
B. Einwendungen.
I. Gültigkeitseinwendungen.
Rn 2
Einwendungen, die die Gültigkeit der Ausstellung betreffen sind solche, die sich gegen die Entstehung des verbrieften Rechts richten und nicht aus dem Papier ersichtlich sind (Staud/Marburger Rz 2). Ob zu diesen nicht nur Mängel der Urkundenausstellung (so RGRK/Steffen Rz 2, 6), sondern auf der Grundlage der Vertragstheorie auch Mängel des Begebungsvertrags zählen (so die hM, s Staud/Marburger Rz 2) ist umstr. Einige Einwendungen sind absolute und damit nicht ausschlussfähige Einwendungen, die der Aussteller jedem Inhaber entgegenhalten kann (zB Fälschung, fehlende Geschäftsfähigkeit bzw -genehmigung). Diese sind auch bei Gutgläubigkeit des Erwerbs nicht überwindbar (BGH NJW 92, 117 [BGH 24.09.1991 - XI ZR 245/90] bzgl Scheck; WM 75, 1002 bzgl vis absoluta). Alle anderen Einwendungen können dem bösgläubigen Zweiterwerber ggü entgegengehalten werden, nicht aber dem gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Zweiterwerbern ggü, da der Aussteller zurechenbar den Rechtsschein eines wirksamen Begebungsvertrags gesetzt hat.
Rn 3
Bei einem Ausschluss der Einwendungen nach Rechtsscheinsgrundsätzen wird durch den einmal eingetretenen gutgläubigen Rechtserwerb die endgültige Heilung des Mangels bewirkt, so dass dieser späteren Erwerbern auch bei Kenntnis nicht mehr schaden kann (RGZ 135, 357, 362). Allerdings können dem Rückerwerber der Schuldverschreibung, sofern er früher bösgläubiger nichtberechtigter Inhaber war, die gegen ihn begründeten Einwendungen entgegengehalten werden, da ihm die Gutgläubigkeit der Nachmänner nicht zugutekommt (BGH NJW 71, 806 bzgl Wechsel; NJW 74, 1512, 1513 [BGH 16.05.1974 - II ZR 36/73] bzgl Scheck). Die Möglichkeit eines Einwendungsausschlusses soll bei präklusionsfähigen Gültigkeitseinwendungen bereits bei grober Fahrlässigkeit des Erwerbers entfallen (Staud/Marburger Rz 6).
II. Einwendungen aus der Urkunde.
Rn 4
Urkundliche Einwendungen sind solche, die aus dem Inhalt des Papiers (Auslegung) ersichtlich sind. Das sind zB Formmängel, die sich aus der Urkunde ergeben, Bedingungen, Befristungen, Zeitbestimmungen oder Teilleistungen. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände können im Hinblick auf die Einwendungen regelmäßig nicht herangezogen werden (vgl aber München NJW-RR 99, 557, 558). Diese Einwendungen kann der Aussteller jedem Inhaber, auch dem gutgläubigen, entgegensetzen. Nicht zulässig dürfte die Einwendung sein, dass aus der Urkunde eine Ticketnutzung ausschließlich privat erfolgen dürfe und eine Veräußerung mit Preisaufschlag bzw über eine Internetauktion untersagt sei (so auch BGH NJW 09, 1504, 1509 [BGH 11.09.2008 - I ZR 74/06]). Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313) ist bei Wegfall der Steuerfreiheit für Zinserträge grds abzulehnen (vgl München WM 98, 1716 ff; s aber LG Köln ZIP 94, 1520, 1521 f: jeweils zur Kündigung von steuerbefreiten Sozialpfandbriefen).
III. Einwendungen unmittelbar gegen den Inhaber.
Rn 5
Als Einwendungen gegen den Inhaber sind persönliche Einwendungen und Einwendungen gegen die Verfügungsbefugnis des Inhabers denkbar. Persönliche Einwendungen sind solche, die im Rechtsverhältnis zwischen Aussteller und Inhaber begründet sind (Grüneberg/Sprau Rz 4). Das sind zB Stundung, Erlass, Aufrechnung mit einer Gegenforderung, die Bereicherungseinrede aus § 816 I 2, § 821 (analog) sowie die Arglisteinrede (vgl RGZ 96, 190, 191). Persönliche Einwendungen finden lediglich im Verhältnis zwischen Aussteller und Inhaber bzw dessen Gesamtrechtsnachfolger Berücksichtigung. Umstr ist, unter welchen Voraussetzungen die Einrede der Arglist (§ 242) geltend gemacht werden kann. Teilweise wird Absicht beim Urkundserwerb, um dem Aussteller Einwendungen gegen den Vormann abzuschneiden, vorausgesetzt (RGRK/Steffen Rz 9), teilweise wird die beim Erwerber vorhandene bloße Kenntnis der Einwendung für ausreichend gehalten (vgl Ulmer FS Raiser [74], 225, 247f). Andere wiederum wollen die Regelungslücke durch eine Analogie zu Art 17 WG, Art 22 ScheckG schließen, so dass dem nachfolgenden Inhaber eine persönliche Einwendung entgegengehalten werden kann, wenn beim Erwerb bewusst zum Nachteil des Schuldners gehandelt wurde (Erman/Wilhelmi Rz 6; MüKo/Habersack Rz 4). Erforderlich ist zumindest dolus eventualis. Bloße Kenntnis vom Bestehen der Einwendung ggü dem Vor-Inhaber kann nicht ausreichen, da dem Erwerber die Schädigung des Schuldners bewusst gewesen sein muss (Staud/Marburger Rz 11). Die Kenntnis bzgl...