Prof. Dr. Petra Buck-Heeb
Gesetzestext
1Der Aussteller ist nur gegen Aushändigung der Schuldverschreibung zur Leistung verpflichtet. 2Mit der Aushändigung erwirbt er das Eigentum an der Urkunde, auch wenn der Inhaber zur Verfügung über sie nicht berechtigt ist.
A. Zurückbehaltungsrecht.
Rn 1
Da eine Inhaberschuldverschreibung grds Präsentationspapier ist, hat der Aussteller ein Leistungsverweigerungsrecht iSd §§ 273 f (BeckOGKBGB/Vogel Rz 9). Er ist zur Leistung verpflichtet. Es findet keine Zug-um-Zug-Verurteilung statt (BGH BKR 13, 334 Rz 10), da § 765 ZPO nicht anwendbar ist (BGH NJW 08, 3144). Damit ist er vor einer doppelten Inanspruchnahme, zB wenn ein Dritter gutgläubig erwirbt, geschützt (BGH WM 16, 818 Rz 12). Da eine Vorlagepflicht besteht, liegt regelmäßig eine Holschuld vor. Das bedeutet, dass der Leistungsort nach § 269 regelmäßig am Wohnsitz des Schuldners (Ausstellers, § 269 I) oder am Ort seiner gewerblichen Niederlassung (§ 269 II) liegt. § 270 (Geldschuld) findet keine Anwendung (Staud/Marburger § 797 Rz 2). Eine abw Vereinbarung ist möglich (etwa Angabe einer Bank als Zahlstelle (MüKo/Habersack Rz 3). Für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sind dem Vollstreckungsgericht die Schuldverschreibungen und Zinsscheine im Original vorzulegen (BGH WM 16, 818 Rz 9 ff; s.a. BGH WM 08, 1656 Rz 12). Das gilt auch dann, wenn sie sich in einer Sammelverwahrung befinden. Der Anspruch des Ausstellers zur Ausstellung einer Quittung (§§ 368f) bleibt unberührt (vgl Grüneberg WM 16, 1621, 1624). Der Inhaber braucht keine Teilleistungen anzunehmen (Staud/Marburger Rz 4; aA Erman/Wilhelmi Rz 1). Tut er dies doch, ist das bei der Annahme auf dem Papier zu vermerken (Rechtsgedanke des Art 39 III WG). Weigert sich der Inhaber, die Urkunde auszuhändigen, kommt er in Annahmeverzug (§ 298). Da die volle Leistung zu erbringen ist, kann derjenige, der nur eine Teilleistung erbringt, die Urkunde (noch) nicht verlangen (Frankf 13.11.17 – 8 U 28/15, juris Rz 188).
Rn 2
Das Zurückbehaltungsrecht des § 797 1 besteht nicht in den Fällen der §§ 799 f, 804. Für Zinsscheine gilt § 803 II. Bei elektronischen Schuldverschreibungen gilt die Sonderregelung des § 29 I eWpG (BeckOGK-BGB/Vogel, 1.10.22, § 793 Rz 4). Auf Inhaberaktien ist § 797 nicht, auch nicht analog, anwendbar. Hat der Gläubiger die Urkunde nur unter Vorbehalt der Nachforderung ausgehändigt und hat sich der Aussteller darauf eingelassen, so scheidet ggü einer Nachforderung auf eine bereits eingelöste Schuldverschreibung die Berufung darauf, dass der Gläubiger nicht mehr Papierinhaber sei, aus (RGZ 152, 166, 168; Grüneberg/Sprau Rz 1).
B. Eigentumserwerb.
Rn 3
Der Eigentumserwerb des Ausstellers an der Urkunde erfolgt kraft Gesetzes selbst dann, wenn der Inhaber nicht verfügungsbefugt war (§ 797 2). Das ergänzt konsequent die Rechtsvermutung des § 793 I 2, wonach auch der nichtberechtigte, aber förmlich legitimierte Inhaber als Gläubiger gilt. Mit dieser Regelung soll eine nachträgliche Vindikation der Urkunde (§ 985) durch den wahren Eigentümer verhindert werden. Mit dem Eigentumserwerb des Ausstellers nach § 797 2 verliert der wirklich Berechtigte das Eigentum am Papier. Voraussetzung ist, dass dem Aussteller die Urkunde zur Einlösung ausgehändigt wird. Eine Aushändigung lediglich zur Verwahrung, als Pfand usw soll ebenso wenig genügen wie eine sonstige Besitzerlangung zB durch Fund (vgl KG WM 58, 1261, 1262). Die hM lässt allerdings nicht schon mit Tilgung der Forderung das Eigentum wieder an den Aussteller fallen, sondern nur mit Aushändigung der Urkunde an den Aussteller. Eine analoge Anwendung von § 952 scheidet damit aus (RGRK/Steffen Rz 8; aA Staud/Marburger Rz 8). Außerdem muss der Aussteller schuldbefreiend geleistet haben. Der Aussteller erwirbt nach hM kein Eigentum nach § 797 2, wenn er unredlich war und daher nicht mit schuldbefreiender Wirkung leisten konnte (§ 793 I 2).