Prof. Dr. Petra Buck-Heeb
Gesetzestext
(1) 1Ist ein Zins-, Renten- oder Gewinnanteilschein abhandengekommen oder vernichtet und hat der bisherige Inhaber den Verlust dem Aussteller vor dem Ablauf der Vorlegungsfrist angezeigt, so kann der bisherige Inhaber nach dem Ablauf der Frist die Leistung von dem Aussteller verlangen. 2Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der abhanden gekommene Schein dem Aussteller zur Einlösung vorgelegt oder der Anspruch aus dem Schein gerichtlich geltend gemacht worden ist, es sei denn, dass die Vorlegung oder die gerichtliche Geltendmachung nach dem Ablauf der Frist erfolgt ist. 3Der Anspruch verjährt in vier Jahren.
(2) In dem Zins-, Renten- oder Gewinnanteilschein kann der im Absatz 1 bestimmte Anspruch ausgeschlossen werden.
A. Regelungszweck.
Rn 1
Da bei verloren gegangenen Nebenpapieren wie Zinsscheinen, Renten- oder Gewinnanteilscheinen eine Kraftloserklärung mittels Aufgebotsverfahren sowie eine Zahlungssperre nicht möglich sind (§ 799 I 2), ist diese Regelung zum Schutz des bisherigen Inhabers vor mit dem Verlust des Nebenpapiers verbundenen Nachteilen erforderlich. Die Rechte aus den Zins-, Renten- oder Gewinnanteilscheinen können ohne Vorlegung der Urkunde durch rechtzeitige Verlustanzeige gesichert werden. Daneben hat der bisherige Inhaber des Papiers die Möglichkeit, gegen den nicht berechtigten Besitzer nach § 985 vorzugehen (Staud/Marburger Rz 1; BeckOGKBGB/Vogel Rz 2).
B. Voraussetzungen und Rechtsfolge.
Rn 2
Das Nebenpapier muss abhandengekommen oder vernichtet worden sein (§ 799 Rn 1) und der Gläubiger (frühere Inhaber) hat den Verlust dem Aussteller anzuzeigen (kein Formerfordernis). Die Verlustanzeige ist als geschäftsähnliche Handlung empfangsbedürftig (Staud/Marburger Rz 4; BeckOGKBGB/Vogel Rz 4). Der Zugang der Anzeige beim Aussteller muss vor Ablauf der 4-jährigen Vorlegungsfrist des § 801 II 1 erfolgen. Die 4-jährige Verjährungsfrist nach § 804 I 3 beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem die für die Leistung bestimmte Zeit eintritt (§ 801 II), dh mit Ablauf der Vorlegungsfrist. Bei rechtzeitiger Verlustanzeige besteht bis zum Ablauf der Vorlegungsfrist ein Schwebezustand. Nach § 804 I 1 ist die Fälligkeit des Anspruchs bis dahin aufgeschoben (MüKo/Habersack Rz 4). Rechtsfolge ist, dass der Gläubiger die Leistung nach Ablauf der Vorlegungsfrist vom Aussteller verlangen kann.
C. Ausschluss des Anspruchs.
Rn 3
Der Leistungsanspruch besteht jedoch nicht, wenn ein Dritter dem Aussteller das Papier vor Ablauf der Vorlegungsfrist zur Einlösung vorlegt oder der Anspruch aus dem Papier gerichtlich geltend gemacht wird (§ 804 I 2). Dann kann der Gläubiger keine Einlösung verlangen. Vor der Einlösung durch den Dritten kann er sich mittels einstweiliger Verfügung schützen. Der Aussteller kann durch eine abw Regelung in der Urkunde den Anspruch ausschließen (§ 804 II). Landesgesetzliche Regelungen sind aufgrund Art 100 Nr 2 EGBGB für Papiere, die der Bundesstaat oder eine ihm angehörende Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des Öffentlichen Rechts ausstellt, zu beachten.
D. Beweislast.
Rn 4
Der bisherige Inhaber (Anzeigende) ist beweispflichtig dafür, dass der Zugang der Verlustanzeige rechtzeitig erfolgt und die Vorlegungsfrist abgelaufen ist. Er muss jedoch nicht den Verlust der Urkunde beweisen (Staud/Marburger Rz 11; BeckOKBGB/Gehrlein Rz 3; aA MüKo/Habersack Rz 7; Erman/Wilhelmi Rz 1). Der Aussteller hat die Vorlegung der Urkunde oder die gerichtliche Geltendmachung zu beweisen und der frühere Inhaber, dass die Vorlegung oder gerichtliche Geltendmachung erst nach dem Ablauf der Vorlegungsfrist erfolgte.