Prof. Dr. Petra Buck-Heeb
I. Sachen.
Rn 4
Erfasst sind bewegliche (zB Pkw, Jaeger, VersR 11, 50 ff) und unbewegliche Sachen iSd § 90 (zB Grundstück, Karlsr NJW-RR 02, 951). Für Tiere gilt aufgrund von § 90a der § 809 entspr. Urkunden sind Sachen iSd § 809, sofern sie nicht von § 810 umfasst werden. Technische Aufzeichnungen ohne Urkundenqualität fallen unter § 809, zB Tonbänder, Computerprogramme (KG NJW 01, 233), Röntgenbilder (Köln VersR 10, 1504). Nicht erfasst sind der Körper eines lebenden Menschen und dessen ungetrennte sowie die mit ihm fest verbundenen künstlichen Teile. Aus § 809 ergibt sich daher kein Anspruch auf ärztliche Untersuchung eines anderen (Schreiber JR 08, 1). Das ist lediglich nach § 372a ZPO bzw § 81a, c StPO möglich. Ob der Leichnam eine Sache ist, ist umstr (Staud/Marburger Rz 2); eine Leichenschau kann in Bezug auf erb- oder versicherungsrechtliche Ansprüche eine Rolle spielen (Grüneberg/Sprau Rz 3). Allerdings besteht kein zivilrechtlicher Anspruch gegen die nahen Angehörigen oder Erben auf Exhumierung und Leichenöffnung (RGRK/Steffen Rz 3). Inwiefern Computerprogramme Sachen sind, ist streitig, jedenfalls aber ist § 809 entspr anwendbar (Staud/Marburger Rz 3).
II. Anspruch in Ansehung der Sache.
Rn 5
Der Anspruch muss in Ansehung der Sache bestehen (Alt 1). Er besteht also nicht nur, wenn sich der Anspruch des Gläubigers auf die Sache erstreckt, sondern auch dann, wenn zwischen dem Anspruch und der Sache eine sonstige rechtliche Beziehung besteht (BGHZ 93, 191, 198 f mwN). Der Anspruch braucht auch nicht die Sache selbst zum Gegenstand haben. Es kann sich auch um ein Anfechtungsrecht handeln oder um einen Anspruch aus einem gewerblichen Schutzrecht (BGHZ 150, 377, 382 und NJW-RR 04, 916, 917: Urheberrecht; nicht nur Faxkarte mit Software, sondern auch Quellcode; BGHZ 93, 191, 200: Patentrecht). Ob es sich um einen schuldrechtlichen oder einen dinglichen Anspruch auf Schadensersatz oder Unterlassung handelt, ist unerheblich (BGHZ 93, 191, 198f). Eine Bedingung oder Befristung ist möglich. Ein Anspruch wird abgelehnt bei durch Staatsanwaltschaft in Verwahrung genommenen Beweismitteln (LAG BW GRURPrax 12, 368 Rz 65f).
Rn 6
Alternativ kann ein Vorlegungsanspruch auch für denjenigen bestehen, der sich Gewissheit über das Bestehen eines solchen Anspruchs verschaffen will (Alt 2). Ob ein Hauptanspruch besteht, ist unerheblich, sofern die Vorlage der Gewissheitsverschaffung darüber dient. Für den Rechtsverstoß muss aber bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen (BGHZ 93, 191, 205; 150, 377), die nur entfernte Möglichkeit einer Rechtsverletzung genügt nicht. Ausreichend ist, wenn durch die Besichtigung beurteilt werden kann, ob ein Anspruch besteht; allerdings darf auch nur noch diese erforderlich sein, um das Bestehen des Anspruchs endgültig zu beurteilen (BGHZ 93, 191, 205 f: ›letzte Klarheit‹). Bei Patentverletzungen stellte die Rspr strengere Anforderungen, um schrankenlose Eingriffe in die rechtlich schutzwürdige Sphäre der Mitbewerber zu verhindern (BGHZ 93, 191, 205f); aus BGH NJW-RR 07, 106, 108 lässt sich folgern, dass künftig auch hier ein ›gewisser Grad‹ an Wahrscheinlichkeit ausreicht. Die Anwendbarkeit von § 809 im Bereich des Persönlichkeitsrechts hat der BGH bislang offengelassen (BGH NJW 19, 771 [BGH 20.07.2018 - V ZR 130/17] Rz 17)
III. Interesse.
Rn 7
Es ist ein besonderes und ernstliches Interesse des Vorlegungsberechtigten an der Besichtigung erforderlich (BGHZ 93, 191, 213). Das braucht bei § 809 kein rechtliches (anders bei § 810) oder ein vermögensrechtliches Interesse zu sein. Allerdings genügt ein allg künstlerisches oder wissenschaftliches Interesse nicht. Ein schutzwürdiges Interesse entfällt nicht auf Grund von Verjährung des Besichtigungsanspruchs nach § 809, sofern man davon ausgeht, dass dieser nicht der Verjährung unterliegt (s Rn 2). Allerdings kann ein solches Interesse mit der Verjährung des Hauptanspruchs, dessen Durchsetzung der Besichtigungsanspruch dienen soll, mangels Informationsbedürfnisses entfallen (vgl BGHZ 150, 377, 381; Karlsr NJW-RR 02, 951). Ein schutzwürdiges Interesse soll auch dann nicht bestehen, wenn der Berechtigte auf anderem Wege die erforderliche Information einfacher erlangen kann (Grüneberg/Sprau Rz 6). Außerdem besteht ein entspr Interesse dann nicht, wenn durch die Vorlegung erstmalig Anhaltspunkte für eine Rechtsverfolgung gewonnen werden sollen (BGHZ 93, 191, 205).
IV. Anspruchsberechtigter, Anspruchsgegner.
Rn 8
Anspruchsberechtigter ist der Inhaber des Hauptanspruchs, der gegen den Besitzer ein Interesse an der Besichtigung hat. Der Anspruch ist nicht übertragbar, da er lediglich ein unselbstständiger Nebenanspruch ist. Der Vorlegungsberechtigte kann zur Besichtigung dann einen Bevollmächtigten beauftragen, wenn sich nach den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt, va wenn dem nicht die Vertraulichkeit der Sache oder die Vertrauenswürdigkeit des Beauftragten entgegensteht. Regelmäßig wird ein ProzBev zuzulassen sein (München NJW 01, 2806, 2807).
Rn 9
Die Vorlegungsverpflichtung trifft den unmittelbaren Besitzer (§ 854) bzw jeden einzelnen Mitb...