Prof. Dr. Petra Buck-Heeb
Rn 2
§ 810 enthält ggü § 809 eine Erweiterung für Urkunden mit rechtsgeschäftlichem Inhalt. Der Anspruch hängt allein vom Inhalt der Urkunde und vom Bestehen eines rechtlichen Interesses an der Einsichtnahme ab. Jeder Urkundenbesitzer ist zur Ermöglichung der Einsichtnahme verpflichtet (vgl BGH NJW 89, 225, 226 [BGH 11.07.1988 - II ZR 346/87]) Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an. Eine entspr Anwendung auf vergleichbare Tatbestände wird als möglich angesehen (Jauernig/Stadler §§ 809–811 Rz 9); zur Anwendbarkeit auf das Einsichtnahmerecht des ausgeschiedenen Vorstands in Geschäftsunterlagen Grooterhorst AG 11, 389 ff; Deilmann/Otte BB 11, 1291 ff. Urkunde bedeutet eine durch bleibende Zeichen verkörperte rechtserhebliche Gedankenerklärung. Daher scheidet regelmäßig ein Recht auf Vorlage von privaten Briefen oder Tagebüchern aus, da es sich hierbei nicht um Urkunden iSd § 810 handelt; anders, wenn ein Brief eine rechtsgeschäftliche Erklärung enthält. Für Patientenakten stellt sich durch die neben § 810 bestehende spezielle Regelung des Einsichtsrechts in § 630g nicht mehr die Frage der Urkundeneigenschaft (Habermalz NJW 13, 3403).
Rn 3
Technische Aufzeichnungen, die keine rechtsgeschäftliche Erklärung enthalten, sind keine Urkunde iSd § 810 und daher von § 809 erfasst. Dies gilt zB für Tonträger, Fotografien (BGHZ 65, 300f), Tachometerscheiben und Röntgenaufnahmen. Eine Ausn soll jedoch gelten und § 810 analog anzuwenden sein, wenn die Einsichtnahme in technische Aufzeichnung im Sachzusammenhang mit sonstigen (schriftlichen) Unterlagen geltend gemacht wird (München NJW 01, 2806: Original-Röntgenaufnahmen; Köln VersR 10, 1504). Umstr ist, ob § 810 analog auf rechtserhebliche Erklärungen, die mit technischen Tonträgern aufgezeichnet sind (ua Datenträger, Mikrodokumentation), anwendbar ist (Staud/Marburger Rz 8; direkte Anwendung bei Karlsr NZG 01, 654, 655) oder ob eine Vorlage nur nach § 809 verlangt werden kann (MüKo/Habersack Rz 3). Bei § 810 muss es sich um im Besitz eines anderen befindliche Originalurkunden handeln. Abschriften oder Fotokopien sind nur dann erfasst, wenn das Interesse gerade an diesen besteht, zB weil das Original unleserlich (AG Hagen NJW-RR 98, 262, 263) oder nicht mehr vorhanden ist (Celle BB 73, 1192, 1193; aA Hambg OLGE 22, 351). Umgekehrt kann der Berechtigte nicht in allen Fällen Einsicht in die Originale fordern; zB hat der Versicherer nur ausnahmsweise bei Fälschungsverdacht einen Anspruch auf Einsicht in die Original-Schadensbelege (Bremen NJW-RR 90, 1181, 1182).