Rn 54
Das Gesetz unterscheidet in § 812 I 1 zwischen zwei wesensverschiedenen Kondiktionstypen. Während bei allen Fällen der Leistungskondiktion der den Bereicherungsanspruch auslösende Zuwendungsvorgang auf eine (gescheiterte) rechtsgeschäftliche Entscheidung des Bereicherungsgläubigers, eben auf eine ›Leistung‹ zurückzuführen ist (s Rn 22 ff), muss der Bereicherungsschuldner iRd Nichtleistungskondiktionen das ›in sonstiger Weise‹ rechtsgrundlos Erlangte herausgeben. Zwischen den Kondiktionstypen besteht echte Alternativität (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 184 aE), die für den Bereicherungsausgleich in Zweipersonenverhältnissen außerhalb jeder Konkurrenzproblematik schon begrifflich den Vorrang der Leistungskondiktion erzwingt, weil der Empfänger dasjenige, was er durch Leistung erhalten hat, nicht zugleich ›in sonstiger Weise‹ erlangt haben kann. Etwas komplizierter können die Dinge bei Mehrpersonenverhältnissen liegen. Erweist sich bspw die Leistung eines Nichtberechtigten (N) an den Empfänger (E) wegen § 932 als Eingriff in das Eigentum des Berechtigten (B), so stellt sich für den Bereicherungsausgleich die Frage, ob B trotz der im Verhältnis zwischen N und E bestehenden Leistungsbeziehung gem § 812 I 1 Alt 2 von E kondizieren kann. Va der BGH arbeitet in derartigen Fällen mit dem Grundsatz der Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion, die immer dann ausgeschlossen sein soll, wenn der Bereicherungsgegenstand durch eine Leistung zugewendet worden ist (BGHZ 40, 272, 278; NJW 99, 1393, 1394; zuletzt NJW 05, 60f). Dieses ›Kunstgriffs‹ bedarf es indes nicht, wenn man mit der hier ganz allg für den Bereicherungsausgleich in Mehrpersonenverhältnissen vertretenen Auffassung die Lösung über den Leistungsbegriff unter Berücksichtigung insb der sich aus §§ 816 I 2, 822, 932 ff ergebenden Wertungskriterien sucht (iE hierzu Rn 76–84; vgl auch Rn 24, 27), mit deren Hilfe sich durchgängig konsistent entscheiden lässt, ob ein die Nichtleistungskondiktion ausschließender Behaltensgrund für den Empfänger besteht oder nicht. Das alles hat mit einer strukturellen Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion letztlich nichts zu tun (iE zum Subsidiaritätsgrundsatz und zur Abgrenzung in den besonders problematischen Verarbeitungs- und Einbaufällen Rn 80 ff).
Rn 55
Die in negativer Abgrenzung von der Leistungskondiktion nur unvollkommen als Auffangtatbestand definierte Nichtleistungskondiktion umfasst ganz unterschiedliche Bereicherungsvorgänge. Zu nennen sind in erster Linie die Fälle der Eingriffskondiktion, in denen die Vermögensverschiebung durch einen Eingriff (nicht notwendig des Bereicherungsschuldners) in den Zuweisungsgehalt einer fremden Rechtsposition erfolgt ist (dazu Rn 56 ff). Darunter fallen auch die spezialgesetzlich durch § 816 normierten Bereicherungskonstellationen. Bei der Verwendungskondiktion geht es demgegenüber um Verwendungen des Bereicherungsgläubigers auf eine fremde Sache, die sich nach den hierfür maßgeblichen Grundsätzen weder als Leistung noch als Eingriff erweisen (dazu Rn 66 ff). Und schließlich sieht sich der ohne sein Zutun von einer Verbindlichkeit befreite Schuldner ggf der sog Rückgriffskondiktion des leistenden Dritten ausgesetzt, wenn dieser mit der Zuwendung an den Gläubiger gerade die Tilgung der für ihn fremden Schuld bezweckt hat, weil die Rückgriffskondiktion nur iRv Mehrpersonenverhältnissen in Betracht kommt, iE Rn 101 ff.