a) Grundlagen – Der Begriff der Anweisung.
Rn 85
Bereicherungsrechtliche Probleme bereiten die in der Praxis häufig vorkommenden Fälle, in denen es um die Rückforderung von Leistungen geht, die der Schuldner durch einen entspr angewiesenen, ihm ggü rechtsgeschäftlich verpflichteten Dritten an seinen Gläubiger erbringen lässt. Exemplarisch hierfür ist die Durchlieferung (iE Rn 87). Dann sind im Ausgangspunkt drei Rechtsverhältnisse zu unterscheiden: Zwischen dem Anweisenden (im Folgenden: B) und dem Angewiesenen (im Folgenden: A) besteht ein Kausalverhältnis, das sog Deckungsverhältnis, ebenso zwischen B und dem (Anweisungs-)Empfänger (im Folgenden: C), das sog Valutaverhältnis. Die Rechtsbeziehungen zwischen A und C werden gemeinhin als Zuwendungsverhältnis bezeichnet, dem allerdings bis auf die Fälle der angenommenen Anweisung (vgl Rn 98) keine rechtsgeschäftliche Kausalbeziehung zugrunde liegt (Grüneberg/Sprau § 783 Rz 8). Für das Deckungsverhältnis zwischen B und A ist weitergehend zu differenzieren zwischen dem eigentlichen Kausalgeschäft und der sich hieraus rechtfertigenden Anweisung (vgl bspw AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 136). Das zeigt sich insb beim bargeldlosen Überweisungsverkehr, wenn (nur) die Anweisung fehlerhaft ist oder rechtzeitig widerrufen wird (iE Rn 91 ff).
Rn 86
Darüber hinaus ist bei Anweisungslagen begrifflich zu unterscheiden: Die Vorschriften in §§ 783 ff betreffen technische Anweisungen ieS, die dadurch gekennzeichnet sind, dass C eine dem A von B erteilte schriftliche Leistungsermächtigung ausgehändigt wird. Solche Anweisungen kommen bspw als Lieferschein und Kreditbrief vor, finden sich va aber im Wechsel und Scheck wieder, wobei der Wechsel- und Scheckverkehr freilich abseits der Vorschriften der §§ 783 ff durch spezialgesetzliche Regelungen dominiert ist. Bereicherungsrechtliche Besonderheiten ergeben sich für die sog angenommene Anweisung (§ 784), mit der eine eigene Leistungsverpflichtung des A ggü C begründet und so eine dem echten Vertrag zugunsten Dritter vergleichbare Rechtslage geschaffen wird (s.u. Rn 98). Anweisungen iwS erfolgen im Verhältnis zwischen B und A, ohne dass C eine schriftliche Leistungsermächtigung ausgehändigt wird. Der wichtigste Anwendungsbereich solcher Anweisungen iwS betrifft den bargeldlosen Überweisungsverkehr (iE Rn 91 ff).
b) Grundmodell: Durchlieferung.
Rn 87
Ausgangspunkt für die bereicherungsrechtliche Beurteilung von Anweisungslagen ist die sog Durchlieferung, bei der B seine – zumeist kaufvertragliche – Leistungsverpflichtung ggü C dadurch erfüllt, dass er den ihm ggü in gleicher Weise verpflichteten A anweist, die Kaufsache direkt an C zu liefern. Dinglich findet dann ein Geheißerwerb zwischen B und C statt, in den A als Geheißperson und Leistungsmittler eingeschaltet ist (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 137; grds zum Geheißerwerb BGHZ 36, 56; NJW 74, 1132). Zugleich erweist sich die von B veranlasste Zuwendung des A an C als Leistung mit Tilgungswirkung im Kausalverhältnis zwischen A und B (BGH NJW 03, 582, 583 [BGH 05.11.2002 - XI ZR 381/01] mwN; Medicus BürgR Rz 671 – doppelter Geheißerwerb). Bereicherungsrechtlich entsteht damit die gleiche Situation wie bei der Leistungskette (hierzu: Medicus BürgR Rz 669 ff; vgl auch MüKo/Schwab § 812 Rz 68).
Rn 88
Ist das Kausalgeschäft im Deckungsverhältnis B/A unwirksam, kann A nicht direkt gegen C mit der Leistungskondiktion vorgehen, weil A mit der Zuwendung auf Geheiß des B keinen eigenen Leistungszweck ggü C verfolgt hat, sondern seine Leistungsverpflichtung ggü B tilgen wollte (Staud/Lorenz § 812 Rz 49; Reuter/Martinek 349 ff; Erman/Buck-Heeb § 812 Rz 19; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 137; iE ebenso MüKo/Schwab § 812 Rz 67). Da der Bereicherungsausgleich grds innerhalb der bestehenden Leistungsbeziehungen stattzufinden hat (vgl Rn 78), muss A sich also an B halten, der ihm gem §§ 812 I 1 Alt 1, 818 II Wertersatz schuldet (BGH NJW 04, 1315, 1316 [BGH 03.02.2004 - XI ZR 125/03]; 03, 582, 583 [BGH 05.11.2002 - XI ZR 381/01]; 01, 2880, 2881 – jeweils mwN; Staud/Lorenz § 812 Rz 50; Reuter/Martinek 394 ff; Erman/Buck-Heeb § 812 Rz 19; iE ebenso MüKo/Schwab § 812 Rz 63 ff). Als einzige Ausnahme von diesem Grundsatz eröffnet § 822 dem A die Direktkondiktion bei C, wenn die Leistung im Valutaverhältnis unentgeltlich erfolgt ist und A mit seinem Kondiktionsanspruch gegen den redlichen unverklagten B ausfällt, weil dieser sich durch die Unentgeltlichkeit der Zuwendung an C gem § 818 III auf Entreicherung berufen kann (BGH NJW 01, 2880, 2881 [BGH 24.04.2001 - VI ZR 36/00]; NJW 84, 483 [BGH 22.09.1983 - VII ZR 47/83] – entspr Anwendung; iE zu den Voraussetzungen des § 822s dort).
Rn 89
Bei fehlerhaftem Valutaverhältnis muss B sich nach obigen Grundsätzen ebenfalls iRd bestehenden Leistungsbeziehungen mit der condictio indebiti an seinen Vertragspartner C wenden (BGHZ 144, 245, 247).
Rn 90
Auch wenn beide Kausalverhältnisse im Deckungs- und Valutaverhältnis unwirksam sind – sog Doppelmangel, hat der Bereicherungsausgleich vorbehaltlich einer durch § 822 gerechtfertigten Direkt...