Rn 52
§ 812 II betrifft keinen eigenständigen Fall der Leistungskondiktion, sondern stellt lediglich klar, was sich ohnehin bereits aus I ergibt: Auch die bewusste Hingabe eines abstrakten (konstitutiven) Schuldanerkenntnisses gilt als Leistung iSd I und ist deshalb unter den dort weiter genannten Voraussetzungen kondizierbar (zum materiell unrichtigen Saldoanerkenntnis BGH NJW 91, 2140, 2141 [BGH 16.04.1991 - XI ZR 68/90]; WM 75, 556, 557; Brandbg OLG-NL 00, 28; Ddorf NJW 85, 2723 [OLG Düsseldorf 18.04.1985 - 6 U 7/85]). Das gilt nicht nur für positive (§ 781) und negative Schuldanerkenntnisse (§ 397 II), sondern entspr auch für abstrakte Schuldversprechen (Staud/Lorenz § 812 Rz 10 f; vgl auch BGH NJW-RR 99, 573 [BGH 30.11.1998 - II ZR 238/97]). Nicht unter § 812 II fallen hingegen deklaratorische Schuldanerkenntnisse, weil sie Bestandteil des zugrunde liegenden Kausalgeschäftes sind und keine eigenständige neue Verbindlichkeit begründen (BGH NJW 00, 2501 f; ZIP 91, 862; Staud/Lorenz § 812 Rz 11 mwN; Grüneberg/Sprau § 812 Rz 18 mwN; aA Erman/Buck-Heeb § 812 Rz 58; diff MüKo/Schwab § 812 Rz 28). Und auch das einseitige prozessuale Anerkenntnis kann mangels vertraglicher Abrede über seine Hingabe nicht gem § 812 II herausverlangt werden (Grüneberg/Sprau § 812 Rz 18).
Rn 53
Herauszugeben sind Anerkenntnis und Schuldversprechen, wenn sie ohne Rechtsgrund abgegeben wurden – § 812 I 1. Nicht eindeutig geklärt ist allerdings, worin genau der Rechtsgrund für ihre Hingabe besteht. Insoweit stellt va die ältere Rspr weitgehend unterschiedslos auf das Bestehen der Verbindlichkeit ab, die anerkannt werden soll (BGH WM 58, 620, 622; 82, 671, 672). Das begegnet indes insb dann durchgreifenden Bedenken, wenn das Anerkenntnis nach dem Willen der Parteien gerade ohne Rücksicht auf das tatsächliche Bestehen und den Umfang der Verbindlichkeit in Form etwa einer selbstständigen Schuldbestätigung dazu bestimmt war, die Rechts- und Beweislage für die Zukunft verbindlich zu klären. So kann bspw das aufgrund eines Vergleichs abgegebene Anerkenntnis nicht mit der Begründung kondiziert werden, die verglichene Forderung habe nicht bestanden (zutr BGH WM 66, 1280; vgl auch BGH NJW 00, 2501; WM 86, 50, 51). Aber auch ganz allg lässt sich nicht ohne Weiteres sagen, dass das Bestehen bzw Nichtbestehen der anerkannten Verbindlichkeit den Rechtsgrund für das hierauf erteilte Anerkenntnis liefert. Im Gegenteil: Dem Ausgangsschuldverhältnis wird in aller Regel gerade keine Verpflichtung zur Hingabe eines Anerkenntnisses zu entnehmen sein, deren rechtlicher Grund deshalb nicht im Kausalgeschäft, sondern in einer gesonderten Abrede der Parteien über die Hingabe des Anerkenntnisse zu finden ist (so im Grundsatz jetzt auch der BGH NJW 00, 2501, 2502 [BGH 18.05.2000 - IX ZR 43/99] – eine durch Auslegung zu klärende Frage des Einzelfalles; hL AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 66; HP/Wendehorst § 812 Rz 66; Grüneberg/Sprau § 812 Rz 81; Reuter/Martinek 119f). Der Empfänger ist also auch dann zur Herausgabe verpflichtet, wenn der Anerkennende sich bei bestehender Verbindlichkeit irrtümlich zur Abgabe eines Anerkenntnisses verpflichtet gesehen hat (Grüneberg/Sprau § 812 Rz 81; HP/Wendehorst § 812 Rz 66). IÜ sind die praktischen Auswirkungen dieser dogmatisch verankerten Differenzierung allerdings eher gering. Denn abseits der ›Schuldbestätigungsfälle‹ wird das Bestehen der anerkannten Verbindlichkeit zumeist Geschäftsgrundlage für die Abrede über die Hingabe des Anerkenntnisses sein. Diese entfällt mit den sich aus § 313 ergebenden Rechtswirkungen, wenn die anerkannte Forderung nicht besteht, weil das Kausalgeschäft unwirksam ist (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 66; Staud/Lorenz § 812 Rz 15; aA HP/Wendehorst § 812 Rz 66). IÜ ist an eine Gesamtnichtigkeit gem § 139 zu denken (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 66). Auch nach Verjährung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs ist der Gläubiger entspr § 216 II 1 gehindert, ein für die Darlehensverbindlichkeit abgegebenes Schuldanerkenntnis oder Schuldversprechen mit Unterwerfungserklärung gem II zu kondizieren (ganz hM BGHZ 183, 169 Rz 19 mwN; vgl auch § 216 Rn 3).