Rn 104
Ebenfalls um die Abgrenzung zwischen Leistungs- und Rückgriffskondiktion und damit um die Bestimmung des richtigen Bereicherungsschuldners, geht es bei der Rückabwicklung von Zuwendungen, zu denen sich der Zuwendende irrtümlich verpflichtet glaubt. So etwa, wenn A an den Gläubiger (C) der Hauptschuld zahlt, weil er irrtümlich annimmt, er habe sich wirksam für den Schuldner (B) verbürgt. Dann ist klar, dass A mit der Zuwendung seine (vermeintliche) Bürgenschuld aus § 765 tilgen will und dementsprechend eine Leistung an C erbringt. Bei fehlender Bürgenschuld kann er – vorbehaltlich des durch § 766 3 geregelten Sonderfalls eines mit der Zahlung geheilten Formmangels – die rechtsgrundlos erbrachte Zahlung also mit der Leistungskondiktion von C herausverlangen (statt aller: Medicus BürgR Rz 948). In der Praxis tritt diese bereicherungsrechtlich eigentlich unproblematische Situation auch in anderen Konstellationen auf: A berichtigt Nachlassverbindlichkeiten, weil er sich irrtümlich für den Erben hält; oder: A erbringt Schadensersatzzahlungen in der irrigen Annahme, er habe einen Unfall verursacht, für den tatsächlich ein anderer Unfallbeteiligter alleine verantwortlich ist (weitere Bsp bei Koppensteiner/Kramer 38f). Insb für derartige Fälle ist umstr, ob A sich auch dann an C halten muss, wenn sich der Bereicherungsanspruch faktisch nicht realisieren lässt, etwa weil C entreichert oder insolvent ist. Ein Teil der Lit will helfen, indem A durch eine nachträgliche Änderung der Zweckbestimmung die Möglichkeit eröffnet werden soll, statt bei C kondizieren zu müssen, gem § 812 I 1 Alt 2 Rückgriff bei B zu nehmen (Reuter/Martinek, 473 ff; Flume JZ62, 281, 282; König Gutachten 1567 f; einschränkend Larenz/Canaris Schuldrecht BT II/2, 69 III 2c; abl die hM Medicus BürgR Rz 951; Erman/Buck-Heeb § 812 Rz 32; Staud/Lorenz § 812 Rz 60 mwN). Das liefe praktisch auf ein Wahlrecht des Bereicherungsgläubigers hinaus, welches mit zentralen Grundsätzen für den Bereicherungsausgleich in Mehrpersonenverhältnissen (s Rn 77 ff) schlechterdings nicht in Einklang zu bringen wäre und sich schon deshalb nicht allein mit Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen lässt (so aber König aaO). Dementsprechend hat der BGH nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen einen fakultativen Rückgriff aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242) zugelassen (BGH NJW 86, 2700 [BGH 15.05.1986 - VII ZR 274/85]; 83, 812, 814 [BGH 18.01.1983 - VI ZR 270/80]; 64, 1898, 1899 [BGH 14.07.1964 - VI ZR 129/63]). Dem ist zuzustimmen. Jedenfalls darf es nicht in das Belieben des Bereicherungsgläubigers gestellt sein, sich durch den Zugriff auf eine weitere Vermögensmasse seines allg Insolvenzrisikos zu entledigen (iErg ebenso Larenz/Canaris Schuldrecht BT II/2, 69 III 2c).