Rn 82
Etwas anders liegen die Dinge, wenn der Berechtigte sein Eigentum nicht gem §§ 932 ff, 366 HGB durch eine rechtsgeschäftliche Verfügung des Nichtberechtigten, sondern erst kraft Gesetzes gem §§ 946 ff durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung an den Erwerber verliert. Die Rechtslage wird deutlich an den viel diskutierten Einbaufällen (eingehend zum Meinungsstand MüKo/Lieb, 4. Aufl, § 812 Rz 270 ff): Bauunternehmer A baut ihm von Baustoffhändler B unter Eigentumsvorbehalt geliefertes Baumaterial in das Gebäude des gutgläubigen Grundstückseigentümers C ein. Hier hat C im Unterschied zum soeben erörterten Fall (Rn 81) das Eigentum nicht durch eine rechtsgeschäftliche Verfügung des A, sondern durch Verbindung gem § 946 kraft Gesetzes erworben. § 816 I 1 greift also nicht, so dass eigentlich der Weg für eine Direktkondiktion des B aus §§ 951 I 1, 812 I 1 Alt 2 gegen den eingreifenden Erwerber C frei wäre. Vordergründig scheint die sich auf diese Weise ergebende Rechtsfortwirkung des Vindikationsanspruches (grundlegend zur Funktion der Eingriffskondiktion Wilburg 73 ff) des Alteigentümers vom Gesetz erzwungen. Denn § 951 I 1 ordnet ja gerade an, dass der Eigentumserwerb gem §§ 946 ff – anders als beim gutgläubigen Erwerb nach §§ 932 ff – keinen Behaltensgrund für den Erwerber schafft und deshalb nicht kondiktionsfest ist (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 194). Damit wäre dann allerdings für den hier interessierenden Erwerb ›übers Dreieck‹ das Grundprinzip der Rechtsbeständigkeit des gutgläubigen Erwerbs faktisch ausgehebelt: B könnte von C nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen etwas, nämlich das verlorene Eigentum, herausverlangen, was er im Falle einer rechtsgeschäftlichen Übertragung des Eigentums am Baumaterial beim Nichtberechtigten A weder hätte vindizieren, noch kondizieren können (vgl Rn 81). Ein sachlicher Grund für eine solche Differenzierung bei gleicher Interessenlage findet sich nicht. Deshalb ist es richtig und geboten, den Kondiktionsanspruch des Alteigentümers aus § 951 I 1 nach den gleichen Kriterien zu beurteilen, wie sie sich für den rechtsgeschäftlichen Erwerb aus §§ 816, 932 ff ergeben (iErg ebenso Staud/Lorenz § 812 Rz 62 f; MüKo/Schwab § 816 Rz 17; Hager FS 50 Jahre BGH, 777, 814 ff – Analogie; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 195 – Parallelwertung; Medicus Rz 729f). Das bedeutet: Die Nichtleistungskondiktion des Alteigentümers gegen den Erwerber ist ausgeschlossen, soweit dieser sich in entspr Anwendung der durch §§ 816, 932 ff manifestierten Wertungen auf einen Behaltensgrund berufen darf. Das ist dann nicht der Fall, wenn er bösgläubig (§ 932 I 1) oder die Sache dem Alteigentümer abhanden gekommen war (§ 935). Dementsprechend hat der BGH beim gem § 950 wirksamen Erwerb von Eigentum an gestohlenen Gegenständen nicht den Subsidiaritätsgrundsatz (dazu oben Rn 80) angewendet, sondern die Direktkondiktion des Alteigentümers gegen den Erwerber gem §§ 951 I 1, 812 I 1 Alt 2, 818 II mit der Begründung zugelassen, dass sich der Erwerber ggü dem vormaligen Eigentümer (nur) wegen § 935 nicht auf einen Behaltensgrund berufen könne (BGHZ 55, 176 – Jungbullenfall). Im Ausgangsfall kann der gutgläubige C demgegenüber den Kondiktionsanspruch des B abwehren, der sich stattdessen an A halten muss. Mit der Anwendung dieser Kriterien ist die Entscheidung gefallen, ob der Alteigentümer direkt beim entgeltlichen Erwerber kondizieren kann oder ob der Bereicherungsausgleich ›über Eck‹ zu erfolgen hat. Sie hat unabhängig davon Bestand, ob der Zwischenmann bei Unwirksamkeit des Kausalgeschäfts seinerseits beim Erwerber kondizieren kann. Mit einer vermeintlich originären Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion hat das alles nichts zu tun.