aa) Ausgangslage.
Rn 80
Erweist sich die Leistung (des Nichtberechtigten) zugleich als Eingriff in die Rechtssphäre eines anderen (des Berechtigten), so stellt sich vordergründig die Frage nach dem Verhältnis zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktion, die va der BGH mit dem Subsidiaritätsgrundsatz zunächst dahin beantwortet hat, dass der Leistungskondiktion generell der Vorrang vor der Eingriffskondiktion gebühre (BGH NZI 21, 197 [BGH 29.10.2020 - IX ZR 212/19] Rz 17; JZ 21,784 [BGH 05.11.2020 - I ZR 193/19] Rz 15). Die Nichtleistungskondiktion des beeinträchtigten Berechtigten soll nur dann greifen, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Empfänger überhaupt nicht, also von niemandem geleistet wurde (zuletzt BGH JZ 18, 517; BGH NJW 13, 2519, 2520; 12, 3366, 3368 Rz 27; BGHZ 40, 272, 278). Im Anschluss an die mit diesem Grundsatz nicht zu vereinbarende Jungbullenentscheidung (BGHZ 55, 176, s.u. Rn 82) hat der BGH seine Subsidiaritätshypothese zwar dahin relativiert, dass nur derjenige, der selbst etwas geleistet habe, bereicherungsrechtlich mit der Leistungskondiktion gegen seinen Vertragspartner vorgehen müsse und mit der Geltendmachung der Eingriffskondiktion gegen den neuen Eigentümer ausgeschlossen sei (BGHZ 56, 228 ff; NJW 99, 1393, 1394; zuletzt NJW 05, 60f). Die folgenden Untersuchungen werden indes zeigen, dass es dieses dogmatisch in beiden Erscheinungsformen kaum zu rechtfertigenden Grundsatzes nicht bedarf. Vielmehr kann und muss der Bereicherungsausgleich auch bei Zusammentreffen von Eingriff und Leistung nach allg Grundsätzen in einer verständigen Anwendung der soeben skizzierten Wertungsprinzipien (Rn 77–79) erfolgen (vgl zur Unbehelflichkeit des Subsidiaritätsgrundsatzes AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 184 ff mwN aus der Lit; nunmehr auch Thomale/Zimmermann AcP 217, 246). Als besonders bedeutsam erweist sich dabei das Grundprinzip der Rechtsbeständigkeit des gutgläubigen entgeltlichen Erwerbs (dazu iE Rn 82 f; für einen weitgehenden Abschied von der Heranziehung des Leistungsbegriffs und eine sachenrechtlich geprägte Beurteilung der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung in Mehrpersonenverhältnissen Hager FS 50 Jahre BGH, 778).
bb) Grundfall – Rechtgeschäftlicher Erwerb vom Nichtberechtigten.
Rn 81
Die bereicherungsrechtlich relevanten Zusammenhänge beim Aufeinandertreffen von Leistung und Eingriff lassen sich exemplarisch an einem simplen Fall verdeutlichen: A übereignet ihm von B unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Ware vorbehaltlos an den gutgläubigen Käufer C. Dann erwirbt C zu Lasten des vormals Berechtigten B kraft Gesetzes gem §§ 929, 932 I 1 das Eigentum. Einer (Direkt-)Kondiktion des B gegen C steht § 816 I 1 im Wege, wonach B sich bereicherungsrechtlich an A halten muss, von dem er den Verkaufserlös herausverlangen kann (iE hierzu § 816 Rn 22). Dogmatischer Hintergrund hierfür ist: Der durch §§ 932 ff, 366 HGB privilegierte gutgläubige Erwerber soll nicht nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen das herausgeben müssen, was der Alteigentümer nach den Grundprinzipien des Gutglaubensschutzes nicht vindizieren kann (ausf zum Normzweck des § 816 MüKo/Schwab § 816 Rz 1 ff, mwN). Der gutgläubige Erwerb schafft bereicherungsrechtlich also kraft gesetzlicher Wertung einen Behaltensgrund, soweit er entgeltlich ist (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 188). An alledem ändert sich nichts, wenn der Kaufvertrag unwirksam ist und A von C gem § 812 I 1 Alt 1 kondizieren kann (so zutr die in diesem Zusammenhang herrschende Doppelkondiktionslehre; iE hierzu: § 816 Rn 16). Probleme wirft dann allenfalls die Beantwortung der Frage auf, worin genau der Kondiktionsanspruch des A gegen C (Stichwort: Rückerwerb des Nichtberechtigten) und va der des B gegen A aus § 816 I 1 besteht (iE § 816 Rn 16; vgl zur vergleichbaren Situation beim Doppelmangel Rn 90; eingehend hierzu Erman/Buck-Heeb § 816 Rz 10f). War C hingegen bösgläubig und die Verfügung A/C deshalb unwirksam (932 I 1), so kommt eine dann allenfalls den (mittelbaren) Besitz betr Eingriffskondiktion des B gegen C in Ermangelung eines tauglichen Eingriffsobjektes (vgl Rn 62) schon tatbestandlich nicht in Betracht. Die Frage nach der Subsidiarität der Eingriffskondiktion stellt sich in diesen Fällen also nicht.
cc) Rechtserwerb gem §§ 946 ff – Verarbeitungs- und Einbaufälle.
Rn 82
Etwas anders liegen die Dinge, wenn der Berechtigte sein Eigentum nicht gem §§ 932 ff, 366 HGB durch eine rechtsgeschäftliche Verfügung des Nichtberechtigten, sondern erst kraft Gesetzes gem §§ 946 ff durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung an den Erwerber verliert. Die Rechtslage wird deutlich an den viel diskutierten Einbaufällen (eingehend zum Meinungsstand MüKo/Lieb, 4. Aufl, § 812 Rz 270 ff): Bauunternehmer A baut ihm von Baustoffhändler B unter Eigentumsvorbehalt geliefertes Baumaterial in das Gebäude des gutgläubigen Grundstückseigentümers C ein. Hier hat C im Unterschied zum soeben erörterten Fall (Rn 81) das Eigentum nicht durch eine rechtsgeschäftliche Verfügung des A, sondern durch Verbindung gem § 946 kraft Gesetzes erworben. § 816 I 1 greift also nicht, so dass eigentlich der Weg für eine Direktkondiktion d...