Rn 32
Die Zuwendung erfolgt ›ohne rechtlichen Grund‹, wenn der Empfänger sie nach den Kriterien der rechtsgeschäftlichen bzw gesetzlichen Güterzuordnung nicht behalten darf. Geht es um eine Leistung iSd § 812 (dazu iE Rn 22 ff), so besteht der Rechtsgrund für das Behaltendürfen zumeist in dem zugrunde liegenden Kausalverhältnis, regelmäßig also im schuldrechtlichen Vertrag, dessen Erfüllung der Bereicherungsgläubiger mit der Zuwendung bezweckt – objektiver Rechtsgrund (Larenz/Canaris Schuldrecht II/2, § 67 III 1a; Staud/Lorenz § 812 Rz 76, 78). Fehlt diese causa, fehlt grds auch der Rechtsgrund für die Leistung. Die damit einhergehende Verfehlung des (subjektiv) mit der Zuwendung bezweckten Erfolges, nämlich die Tilgung einer Verbindlichkeit, ist nach hiesigem Leistungsbegriffsverständnis (Rn 22 ff) keine eigenständige Voraussetzung für die Rechtsgrundlosigkeit, sondern ihre notwendige Folge (HP/Wendehorst § 812 Rz 60; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 33; MüKo/Lieb, 4. Aufl, § 812 Rz 337; aA Erman/Westermann § 812 Rz 44; Ehmann JZ 03, 709 f; Koppensteiner/Kramer 15). Gerade darin unterscheiden sich die Leistungskondiktionstatbestände in § 812 I 1 Alt 1 (condictio indebiti) und § 812 I 2 Alt 1 (condictio ob causam finitam) von der Zweckverfehlungskondiktion gem § 812 I 2 Alt 2 (condictio ob rem), die den Bereicherungsausgleich an die Nichterreichung eines über bestehende Kausalbeziehungen hinausgehenden, außerhalb des Synallagmas liegenden Leistungszwecks knüpft (dazu iE Rn 41 ff; ebenso MüKo/Schwab § 812 Rz 337). Ist der Schuldner indes rechtskräftig zur Leistung verurteilt, so stellt der Titel unabhängig von der materiellen Rechtslage einen Rechtsgrund ioS dar (BGH NJW-RR 87, 831; BGHZ 83, 278, 280; BGH NJW 53, 745), nicht hingegen eine nur einstweilige Entscheidung (BGH NJW 84, 2095f). Erfolgt eine Leistung des Schuldners oder an den Schuldner nach Insolvenzeröffnung, so ist diese rechtsgrundlos, vgl §§ 81, 82 InsO (dazu Schleswig NZI 16, 875 [OLG Schleswig 29.06.2016 - 9 U 22/16]).
Rn 33
Rechtsgrundlos erbracht ist die Leistung auch dann, wenn trotz bestehendem Kausalverhältnis die mit der Zuwendung erstrebte Tilgungswirkung verfehlt wird, weil die tatsächlich erbrachte Leistung am vertraglich festgelegten Leistungsziel völlig vorbeigeht. Der Leistende kann also auch (nicht geschuldete) Zuviellieferungen, Überzahlungen sowie unbewusst auf eine fremde Schuld geleistete Zahlungen gem § 812 I 1 Alt 1 kondizieren. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen macht der BGH in stRspr allerdings für zusätzliche Leistungen, die ein Krankenhausträger auf der Grundlage einer (form-)unwirksamen Wahlleistungsvereinbarung erbringt. Derartige Zusatzleistungen sollen mit Rechtsgrund iRd bestehenden Krankenhausvertrages erbracht und deshalb auch nicht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zu vergüten sein (BGHZ 138, 91, 99; 157, 87, 97; vgl auch BGH NJW 05, 3633, 3635 – Zusatzleistungen des Heimträgers nach § 88 SGB XI; ebenso aus dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung für den Anspruch des Patienten auf Erstattung gezahlter Wahlleistungsmehrvergütungsbeträge bei unwirksamer Wahlleistungsvereinbarung BGH NJW-RR 07, 710 [BGH 01.02.2007 - III ZR 126/06]). Leistungen, die sich iRe bestehenden Kausalverhältnisses lediglich als nicht vertragsgerecht erweisen, sind nach den Vorschriften des allg Leistungsstörungsrechts zu beurteilen, die dem Bereicherungsrecht vorgehen (s Rn 19). Das trifft nach neuem Recht grds auch auf Aliudleistungen zu, deren rechtliche Beurteilung nunmehr durch §§ 434 V nF, 633 II 3 ebenfalls den Vorschriften des Sachmängelhaftungsrechts zugeordnet ist (darin liegt der – bspw von AnwK/Büdenbender § 434 Rz 81 übersehene – Unterschied zur Zuviellieferung, die nicht von §§ 434 V nF, 633 II 3 umfasst ist; hierzu HP/Faust § 434 Rz 117). Weist der Empfänger die Falschlieferung allerdings als nicht vertragsgerecht zurück, so besteht der Erfüllungsanspruch fort und er muss das aliud nach § 812 I 1 Alt 1 herausgeben. Anders, wenn der Empfänger die Falschlieferung entgegennimmt und seine Mängelrechte aus §§ 437, 634 geltend machen will. Dann steht es nach dem durch §§ 434 V nF, 437, 439 I, 633 II 3, 634 manifestierten gesetzlichen Leitbild gerade nicht im Belieben des Leistenden, das aliud zurückzuverlangen (Musielak NJW 03, 89, 90; Canaris Schuldrechtsmodernisierung 2002 S XXIII; HP/Faust § 437 Rz 196; im Ausgangspunkt ebenso AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 34; aA offenbar Grüneberg/Weidenkaff § 434 Rz 57), und zwar unabhängig davon, ob man die Aliudlieferung grds als rechtsgrundlos ansieht (so bspw Lorenz JuS 03, 39; MüKo/Westermann § 434 Rz 40; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 34) oder nicht (so bspw HP/Faust § 437 Rz 205; Staud/Matusche-Beckmann § 437 Rz 53). Dem Zuwendenden bleibt dann allenfalls die Anfechtung seiner Tilgungsbestimmung, so dass er anschließend kondizieren kann (so bspw HP/Faust § 437 Rz 206; Staud/Matusche-Beckmann § 437 Rz 53; Thier AcP 203 (03), 421 ff). Diese Grundsätze ...