Rn 14
Bereits die obigen Ausführungen (Rn 8–12) haben gezeigt, dass eine – zudem im Wortlaut des § 812 I 1 angelegte – Differenzierung zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktionstatbeständen für eine praktikable Handhabung des Bereicherungsrechts unumgänglich ist. Gleichwohl erblickte die früher vorherrschende Einheitstheorie in § 812 I 1 einen einheitlichen, durch ungerechtfertigten Vermögenserwerb begründeten Grundtatbestand (Nachweise bei Reuter/Martinek 22 ff; Erman/Buck-Heeb Vor § 812 Rz 5). Die in dieser Sichtweise zum Ausdruck kommenden Bemühungen, das Bereicherungsrecht auf eine homogene tatbestandliche Grundlage zurückzuführen, sind bis heute erfolglos geblieben. Sie reichen letztlich nicht weiter als bis zu der wenig hilfreichen Erkenntnis, dass das Bereicherungsrecht eine der Rechtsschutzergänzung verpflichtete Ausgleichsordnung darstellt (so auch AnwK/v Sachsen Gessaphe Vor §§ 812 ff Rz 13; s.o. Rn 1 ff). Vor diesem Hintergrund hat sich aus einer zuerst von Wilburg (18, 22 f und 27 ff) und v Caemmerer (FS Rabel I, 337 ff, 376 ff) entwickelten Typologie der Bereicherungsansprüche ein stark am Leistungsbegriff ausgerichtetes Rechtsverständnis herausgebildet, welches Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen als wesensverschiedene Kondiktionstypen begreift (vgl statt vieler Koppensteiner/Kramer § 4 IV 1, 16 ff; Esser/Weyers BT 2 § 48 II 44 f; Staud/Lorenz § 812 Rz 1 mwN; Erman/Buck-Heeb Vor § 812 Rz 6). Das Verdienst dieser Trennungstheorie ist es, die Eigenarten der in der Tat typologisch unterschiedlichen Kondiktionsformen aufgezeigt und für die Rechtsanwendung nutzbar gemacht zu haben.
Rn 15
Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Trennungsformel dem Leistungsbegriff in einzelnen Ausprägungen eine übergroße Dominanz einräumt, die im Zusammenspiel mit der insb von der Rspr (BGHZ 69, 186, 189; 56, 228, 240) trotz mancher Kritik (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 184; HP/Wendehorst § 812 Rz 30f) vertretenen Lehre von der Subsidiarität der Eingriffskondiktion ggü der Leistungskondiktion (s Rn 80 ff) den Blick auf den immerhin gemeinsamen Ursprung aller Kondiktionstatbestände zu verstellen droht (so insb Reuter/Martinek 22 ff, 39 ff; 2. Teilband 2. Aufl 16).
Rn 16
In jüngerer Zeit sind wieder Stimmen laut geworden, die dem Einheitsprinzip mit allerdings zT unterschiedlichen Argumentationsansätzen durch eine stärkere Betonung des allen Kondiktionsformen zugrunde liegenden Restitutionsgedankens neue Geltung verschaffen wollen (so etwa Wilhelm 173 ff; Kellmann 97 ff; Flume 525, 534 f; Reuter/Martinek 22 ff; vgl auch die Darstellungen von Knieper BB 91, 1578; Schlechtriem ZHR 149, 327; Weitnauer DB 84, 2496). Der praktische Nutzen dieser Erwägungen ist eher gering. Sie sind indes Anlass und Grundlage für eine differenzierende Betrachtungsweise, die sich im Folgenden weniger an einer begriffsjuristischen Kategorisierung, als an einer normativen Typologisierung der Bereicherungstatbestände orientieren wird.