Gesetzestext
(1) 1Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann auch dann zurückgefordert werden, wenn dem Anspruch eine Einrede entgegenstand, durch welche die Geltendmachung des Anspruchs dauernd ausgeschlossen wurde. 2Die Vorschrift des § 214 Abs. 2 bleibt unberührt.
(2) Wird eine betagte Verbindlichkeit vorzeitig erfüllt, so ist die Rückforderung ausgeschlossen; die Erstattung von Zwischenzinsen kann nicht verlangt werden.
A. Normzweck und Anwendungsbereich.
Rn 1
§ 813 I stellt zwar einen eigenständigen Tatbestand der Leistungskondiktion dar, begründet faktisch indes nur eine Erweiterung der condictio indebiti (§ 812 I 1 Alt 1) auf die Fälle, in denen die Leistung zwar mit Rechtsgrund auf einen bestehenden, aber wegen einer dauernden (peremptorischen) Einrede nicht durchsetzbaren Anspruch des Bereicherungsschuldners erfolgt (MüKo/Lieb, 4. Aufl, § 813 Rz 1; HP/Wendehorst § 813 Rz 1). Die dogmatische Grundlage für diese Gleichstellung findet sich in der alle Tatbestände des Bereicherungsausgleichs tragenden Erwägung, dass der Bereicherungsschuldner im einen wie im anderen Fall einen (ungerechtfertigten) Vermögensvorteil erlangt, der ihm nach den Kriterien der rechtsgeschäftlichen bzw gesetzlichen Güterzuordnung im Ergebnis nicht gebührt (hierzu § 812 Rn 1, 5 f). Deshalb gilt für die Konkurrenz zu anderen Vorschriften des Zivilrechts das für die Leistungskondiktionstatbestände des § 812 I Gesagte entspr (vgl § 812 Rn 19, 38 ff).
B. Tatbestand.
I. Rückforderung – § 813 I 1.
1. Tatbestandsmerkmal ›Leistung auf einredebehaftete Forderung‹.
Rn 2
Der Rückforderungsanspruch aus § 813 I 1 betrifft ebenso wie der aus § 812 I 1 Alt 1 das durch Leistung eines anderen Erlangte (hierzu § 812 Rn 22 ff). In Unterschied zur condictio indebiti erfolgt die nach § 813 I 1 kondizierbare Leistung indes auf eine bestehende Verbindlichkeit, also nicht ohne Rechtsgrund iSd § 812 I. Sie kann dennoch gem § 813 I 1 herausverlangt werden, wenn der Bereicherungsgläubiger in der irrigen Annahme geleistet hat, hierzu verpflichtet gewesen zu sein, obwohl er den Anspruch des Empfängers durch die Geltendmachung einer dauernden Einrede hätte abwehren können. Unterliegt er diesem Irrtum nicht, leistet er also in (positiver) Kenntnis des Bestehens einer solchen Einrede, so ist eine spätere Kondiktion gem § 814 ausgeschlossen (s dort). Darüber hinaus ist die Kondiktionssperre des § 817 2 zu beachten.
2. Dauernde Einrede.
Rn 3
§ 813 I 1 stellt ausdrücklich klar, dass die Geltendmachung des gleichwohl erfüllten Anspruchs durch eine dauernde (peremptorische) Einrede ausgeschlossen gewesen sein muss. Es darf sich also nicht nur um eine vorübergehende (dilatorische) Einrede (etwa aus § 320) handeln (BGH NJW 82, 1587f [BGH 22.04.1981 - VIII ZR 103/80]). Gemeint sind iÜ nur dauerhaft rechtshemmende Einreden, weil sich die Leistung bei Bestehen rechtshindernder bzw rechtsvernichtender Einwendungen bereits als rechtsgrundlos iSd § 812 I erweist (HP/Wendehorst § 813 Rz 4; MüKo/Schwab § 813 Rz 5; zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Zahlungen auf eine nach 556 III 2, 3 ausgeschlossene Betriebskostennachforderung BGH NJW 06, 903). In Erwägung dessen kommen als Einreden iSd § 813 insb diejenigen aus §§ 821, 853, 1166, 1973, 1975, 1990, 2083 und 2345 (vgl statt vieler Staud/Lorenz § 813 Rz 8 mwN; aA bspw für §§ 821, 853, 1973 und 1990 ff Roth Die Einrede des bürgerlichen Rechts, 88, 8 ff; für 1629a Löwisch NJW 99, 1002, 1003 [BGH 24.06.1998 - XII ZR 126/96]) sowie die auf den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gestützten endgültigen Leistungsverweigerungsrechte aus § 242 (insb wegen Arglist und Verwirkung) in Betracht (BGH LM § 242 (Cd) Nr 19; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 813 Rz 4; MüKo/Schwab § 813 Rz 7). Auch die Einrede des Bürgen aus § 768 gehört hierher (BGH ZIP 17, 2410 = NJW 18, 458). Demgegenüber findet § 813 I keine (entspr) Anwendung auf die Fälle der nicht genutzten Aufrechnungs- oder Anfechtungsbefugnis (RGZ 144, 93 ff; 151, 361, 376; Staud/Lorenz § 813 Rz 11; Erman/Buck-Heeb § 813 Rz 3; MüKo/Schwab § 813 Rz 10; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 813 Rz 3; HP/Wendehorst § 813 Rz 4). Gleiches gilt iE für die Erfüllung von Naturalobligationen, wie sich aus §§ 656 I 2; 762 I 2 ergibt. Für den praktisch wichtigsten Fall einer peremptorischen Einrede, nämlich der Einrede der Verjährung, schließt § 813 I 2 die Kondiktion durch die Bezugnahme auf § 214 II grds aus (vgl aber auch Rn 5). Die Einrede muss im Zeitpunkt der Leistungserbringung bestanden haben (einschränkend für Einreden aus § 242: Staud/Lorenz § 813 Rz 7; ihm folgend: HP/Wendehorst § 813 Rz 7); dass sie nicht auch geltend gemacht worden sein muss, liegt in der Natur der Sache, weil der Bereicherungsgläubiger sonst nicht (irrtümlich) geleistet hätte (iE ebenso: AnwK/v Sachsen Gessaphe § 813 Rz 3 mwN). Hat bei einem verbundenen Geschäft der Verbraucher den finanzierten Vertrag wegen arglistiger Täuschung im Zeitpunkt nach der Leistungserbringung angefochten, führt die Rückwirkung der Anfechtung dazu, dass dem Anspruch des Darlehensgebers aus dem Finanzierungsdarlehen von Anfang an eine dauernde Einrede (§ 359 I 1) entgegensteht. Der Verbraucher ka...