Rn 1
§ 816 enthält drei selbstständige Kondiktionstatbestände. I 1 gewährt dem Berechtigten einen Bereicherungsanspruch gegen denjenigen, der als Nichtberechtigter eine wirksame entgeltliche Verfügung über einen jenem gehörenden Vermögensgegenstand trifft (iE Rn 3 ff); war die Verfügung hingegen unentgeltlich, so richtet sich der bereicherungsrechtliche Herausgabeanspruch des Berechtigten gem I 2 gegen den Empfänger der Zuwendung (iE Rn 12 ff). Mit gleichem Ergebnis betrifft II schließlich den Fall, dass der Schuldner des Berechtigten mit schuldbefreiender Wirkung an einen Nichtberechtigten leistet (iE Rn 17 ff). Den solcherart kodifizierten Bereicherungstatbeständen des § 816 ist gemein, dass die kondiktionsauslösende Vermögensverschiebung nicht auf einer Entscheidung des Entreicherten beruht, sondern durch Handlungen des Bereicherten oder eines Dritten hervorgerufen wird. Deshalb geht die ganz hM davon aus, dass § 816 Sondertatbestände der Eingriffskondiktion enthält (BGH NJW 70, 2059 [BGH 30.09.1970 - VIII ZR 221/68]; Staud/Lorenz § 816 Rz 2; Erman/Buck-Heeb § 816 Rz 1; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 816 Rz 2; aA für § 816 I 1, II – Ersatzregelung: Grüneberg/Sprau § 812 Rz 38), die der allg Eingriffskondiktion als leges speciales vorgehen (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 816 Rz 5, 26, 34; HP/Wendehorst § 816 Rz 3). Ansprüche aus Vertrag, GoA und unerlaubter Handlung bestehen neben denjenigen aus § 816 (Anspruchskonkurrenz), die eine dem Berechtigten ggü wirksame Verfügung über den Kondiktionsgegenstand voraussetzen und deshalb ihrerseits nicht durch die insoweit regelmäßig unanwendbaren Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (§§ 987 ff) verdrängt werden (BGHZ 55, 176; Staud/Lorenz § 816 Rz 3; Grüneberg/Sprau § 816 Rz 5). Anders nur, wenn die Wirksamkeit der kondiktionsauslösenden Verfügung erst durch die Genehmigung des Berechtigten (§ 185) herbeigeführt wird (dazu Rn 8 ff). Dann soll der sich aus § 816 I ergebende Bereicherungsanspruch des Berechtigten nicht nur mit evtl fortbestehenden Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung (BGH NJW 91, 695 [BGH 06.11.1990 - VI ZR 99/90]), sondern auch mit solchen gem §§ 989 f konkurrieren, sofern nicht mit der Genehmigung nach den Umständen des Einzelfalles ausnahmsweise ein Verzicht auf derartige Ersatzansprüche einhergeht (BGH NJW 60, 860 [BGH 09.02.1960 - VIII ZR 51/59]; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 816 Rz 5 mwN). Zum besonderen Verhältnis von Ersatzaussonderung gem § 48 InsO und Bereicherung gem § 816 vgl Ganter ZIP 23, 1936; Schmidt/Roth ZIP 23, 568.
Rn 2
§ 816 hat große praktische Relevanz. Er repräsentiert und regelt die allg Wertungsentscheidung des Gesetzgebers, dass der Berechtigte nicht ohne einen angemessenen Ausgleich bleiben soll, wenn er im Interesse der Sicherheit des (dinglichen) Rechtsverkehrs einen ungewollten Rechtsverlust nach den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb bzw der schuldbefreienden Wirkung von Drittleistungen hinnehmen muss (vgl Staud/Lorenz § 816 Rz 2). Die sich so ergebenden Wertungskriterien wirken weit über den eigentlichen Regelungsgehalt der Vorschrift hinaus, weil ihnen bei verständiger Anwendung allg gültige Regeln für den Bereicherungsausgleich in Mehrpersonenverhältnissen entnommen werden können, die insb für die Lösung der sog ›Verarbeitungs- und Einbaufälle‹ von zentraler Bedeutung sind. Sie münden letztlich in der in jenem Zusammenhang bereits eingehend erörterten Erkenntnis, dass der gutgläubige entgeltliche Erwerb einen Behaltensgrund schafft und deshalb kondiktionsfest ist (§ 816 I 1), was auf den unentgeltlichen Erwerb wegen der durch § 816 I 2 gegen den Empfänger zugelassenen Kondiktion nicht zutrifft (zum Ganzen § 812 Rn 81–84).