Rn 4
§ 816 I 1 setzt eine rechtsgeschäftliche Verfügung des Nichtberechtigten voraus. Verfügung idS ist jedes (dingliche) Rechtsgeschäft, durch das ein bestehendes Recht übertragen, belastet, in seinem Inhalt verändert oder aufgehoben wird (statt aller Grüneberg/Sprau § 816 Rz 7). Nicht dem Regelungsgehalt des § 816 I 1 unterfallen demnach hoheitliche Akte der Zwangsvollstreckung (BGHZ 32, 240, 244; 100, 95, 98 ff; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 816 Rz 6; HP/Wendehorst § 816 Rz 5; zum Bereicherungsausgleich in diesen Fällen § 812 Rn 65), nach zutreffender Auffassung auch nicht die schuldrechtlich begründete Gebrauchsüberlassung fremden Eigentums (BGH NJW 06, 2323, 2325; BGHZ 131, 297; Staud/Lorenz § 816 Rz 6; Grüneberg/Sprau § 816 Rz 7; aA Esser/Weyers Schuldrecht II/2, § 50 II 2a; zu Bereicherungsansprüchen des Eigentümers gegen den Mieter bei unberechtigter Untervermietung § 812 Rn 62). Ebenfalls nicht zur direkten Anwendung des § 816 I 1 führt mangels rechtgeschäftlicher Verfügung der kraft Gesetzes durch §§ 946 ff bewirkte Rechtserwerb (zur Bedeutung der in § 816 niedergelegten Wertungskriterien in diesen Fällen § 812 Rn 81–84).
Rn 5
Der Nichtberechtigte muss verfügt haben. Maßgebend ist, ob der Verfügende Verfügungsmacht hatte, die gem § 185 auch auf einer ermächtigenden Einwilligung des Berechtigten beruhen kann (BGH WM 98, 856 [BGH 12.03.1998 - IX ZR 74/95]). Sie fehlt hingegen selbst dem Rechtsinhaber, soweit er in der Verfügungsbefugnis beschränkt ist und gleichwohl dem gutgläubigen Empfänger lastenfreies Eigentum verschafft (MüKo/Schwab § 816 Rz 28, auch zu Verf des Treuhänders). Der anfänglich fehlenden Verfügungsmacht steht es gleich, wenn diese nachträglich rückwirkend durch Anfechtung beseitigt wird – § 142 I. Verfügender ioS und damit Bereicherungsschuldner ist bei der offenen Stellvertretung der Vertretene (BGH NJW 99, 1026, 1027), bei der mittelbaren Stellvertretung der Vertreter (Karlsr WM 03, 584, 585; MüKo/Schwab § 816 Rz 25; HP/Wendehorst § 816 Rz 4; Grüneberg/Sprau § 816 Rz 11; zum Bereicherungsausgleich beim Kommissionsgeschäft MüKo/Schwab § 816 Rz 11 mwN).
Rn 6
Berechtigter iSd § 816 I 1 ist derjenige, der nach den allg Regeln der rechtlichen Güterzuordnung im Zeitpunkt der Vermögensverschiebung verfügungsbefugt gewesen wäre (vgl BGH NJW 04, 365), beim Treuhandgeschäft also der Treuhänder, und zwar selbst dann, wenn er im Innenverhältnis seine Treuhandbefugnisse pflichtwidrig überschreitet (BGH NJW 99, 1026; MüKo/Schwab § 816 Rz 28; aA Jakobs ZIP 99, 733). Bei mehreren Berechtigten (Miteigentümer, Eigentümer und Pfandrechtsinhaber) kann entspr § 1011 jeder vom Verfügenden Herausgabe an alle verlangen (BGH LM § 812 Nr 15; iE hierzu Staud/Lorenz § 816 Rz 14).
Rn 7
Die Verfügung des Nichtberechtigten ist dem Berechtigten ggü von Anfang an wirksam, wenn dieser eingewilligt hat (§ 185 I), sonst va in den gesetzlich geregelten Fällen des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten (§§ 932 ff, 936, 1032, 1207) unter Berücksichtigung der Bestimmungen über die Legitimationswirkung des Grundbuchs (§§ 892, 893, 1138, 1155 ff, 1192, 1200) und des Erbscheins (§§ 2366 ff).
Rn 8
War die Verfügung des Nichtberechtigten nach obigen Grundsätzen unwirksam – insb weil der Empfänger bösgläubig (§ 932 I 1, II) oder die Sache dem Berechtigten abhandengekommen war (§ 935) – so hat der Berechtigte es in der Hand, die Verfügung durch seine Genehmigung gem §§ 185 II 1 Alt 1, 184 I rückwirkend wirksam werden zu lassen (dazu etwa BGH NJW 12, 1129, 1130 Rz 13). Das ändert freilich nach allg Ansicht nichts daran, dass der Verfügende als Nichtberechtigter gehandelt hat (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 816 Rz 12 mwN; MüKo/Schwab § 816 Rz 33; Grüneberg/Sprau § 816 Rz 9). Maßgebend für die Genehmigungsbefugnis des Berechtigten ist der Zeitpunkt der Verfügung. Die Genehmigung kann also auch dann noch mit den sich aus § 816 I ergebenden Rechtswirkungen erteilt werden, wenn der Berechtigte seine Verfügungsmacht in diesem Zeitpunkt aus Rechtsgründen – zu denken ist insb an einen der Verfügung nachfolgenden Rechtsverlust gem §§ 946 ff – bereits verloren hat (BGHZ 56, 131, 133 ff; Grüneberg/Sprau § 816 Rz 9; HP/Wendehorst § 816 Rz 13; zur parallelen Anwendung der sich aus § 816 I ergebenden Wertungskriterien auf die Verarbeitungs- und Einbaufälle § 812 Rn 82). Aus alledem folgt für die Praxis, dass der (ehemals) Berechtigte bei unwirksamer Verfügung des Nichtberechtigten bis zur Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der Genehmigung frei wählen kann, ob er den Verfügungsgegenstand gem § 985 beim Empfänger vindizieren oder – nach Genehmigung – den Erlös beim Verfügenden gem § 816 I 1 kondizieren will (vgl BGHZ 56, 131, 134). Bei einer mehrgliedrigen Kette von unwirksamen Verfügungen ist es ihm darüber hinaus überlassen, die Verfügung desjenigen zu genehmigen, der ihm die bestmögliche Gewähr für die Realisierung seines Bereicherungsanspruchs bietet. Nur so lässt sich ein effektiver Schutz des Berechtigten gewährleisten, der zunächst Gelegen...