I. Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten – I 1.
1. Grundgedanke und Regelungsgehalt.
Rn 3
§ 816 I 1 stellt klar, dass der Berechtigte, der sein Recht an einem ihm gehörenden Gegenstand durch eine wirksame entgeltliche Verfügung des Nichtberechtigten an den Erwerber verloren hat, bereicherungsrechtlich nicht gegen diesen vorgehen kann, sondern sich an den nichtberechtigt Verfügenden halten muss. Darin liegt bei näherer Betrachtung ein systemwidriges Zugeständnis an die Privilegierung des gutgläubigen Erwerbers, indem der Berechtigte mit seinem Kondiktionsanspruch an den Verfügenden verwiesen wird, obwohl der eigentliche Kondiktionsgegenstand nicht diesem, sondern dem Erwerber – und zwar unmittelbar durch den Bereicherungsvorgang – zugeflossen ist (zum Unmittelbarkeitsgrundsatz s § 812 Rn 63). Deshalb ist Lieb (in MüKo, 4. Aufl § 816 Rz 2 ff, 7) darin zuzustimmen, dass § 816 I 1 zumindest in diesem Punkt nicht den für die allg Eingriffskondiktion geltenden Grundsätzen folgt und somit entgegen der Sichtweise der hM (s Rn 1) eher die Funktion einer eigenständigen Ersatzregelung hat. Die Vorteile für den Bereicherungsschuldner, verschuldensunabhängig gegen den nichtberechtigt Verfügenden vorgehen zu können, sind insb dadurch erheblich, dass der Berechtigte es im Falle einer – bspw wegen § 935 – zunächst unwirksamen Verfügung des Nichtberechtigten in der Hand hat, die Wirksamkeit der Verfügung nachträglich durch seine Genehmigung herbeizuführen (§ 185). Er kann iE also wählen, ob er gem § 985 beim Empfänger vindizieren oder nach § 816 I 1 beim Verfügenden kondizieren will (hierzu iE Rn 8 ff).
2. Tatbestandsmerkmale.
a) Wirksame Verfügung durch einen Nichtberechtigten.
Rn 4
§ 816 I 1 setzt eine rechtsgeschäftliche Verfügung des Nichtberechtigten voraus. Verfügung idS ist jedes (dingliche) Rechtsgeschäft, durch das ein bestehendes Recht übertragen, belastet, in seinem Inhalt verändert oder aufgehoben wird (statt aller Grüneberg/Sprau § 816 Rz 7). Nicht dem Regelungsgehalt des § 816 I 1 unterfallen demnach hoheitliche Akte der Zwangsvollstreckung (BGHZ 32, 240, 244; 100, 95, 98 ff; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 816 Rz 6; HP/Wendehorst § 816 Rz 5; zum Bereicherungsausgleich in diesen Fällen § 812 Rn 65), nach zutreffender Auffassung auch nicht die schuldrechtlich begründete Gebrauchsüberlassung fremden Eigentums (BGH NJW 06, 2323, 2325; BGHZ 131, 297; Staud/Lorenz § 816 Rz 6; Grüneberg/Sprau § 816 Rz 7; aA Esser/Weyers Schuldrecht II/2, § 50 II 2a; zu Bereicherungsansprüchen des Eigentümers gegen den Mieter bei unberechtigter Untervermietung § 812 Rn 62). Ebenfalls nicht zur direkten Anwendung des § 816 I 1 führt mangels rechtgeschäftlicher Verfügung der kraft Gesetzes durch §§ 946 ff bewirkte Rechtserwerb (zur Bedeutung der in § 816 niedergelegten Wertungskriterien in diesen Fällen § 812 Rn 81–84).
Rn 5
Der Nichtberechtigte muss verfügt haben. Maßgebend ist, ob der Verfügende Verfügungsmacht hatte, die gem § 185 auch auf einer ermächtigenden Einwilligung des Berechtigten beruhen kann (BGH WM 98, 856 [BGH 12.03.1998 - IX ZR 74/95]). Sie fehlt hingegen selbst dem Rechtsinhaber, soweit er in der Verfügungsbefugnis beschränkt ist und gleichwohl dem gutgläubigen Empfänger lastenfreies Eigentum verschafft (MüKo/Schwab § 816 Rz 28, auch zu Verf des Treuhänders). Der anfänglich fehlenden Verfügungsmacht steht es gleich, wenn diese nachträglich rückwirkend durch Anfechtung beseitigt wird – § 142 I. Verfügender ioS und damit Bereicherungsschuldner ist bei der offenen Stellvertretung der Vertretene (BGH NJW 99, 1026, 1027), bei der mittelbaren Stellvertretung der Vertreter (Karlsr WM 03, 584, 585; MüKo/Schwab § 816 Rz 25; HP/Wendehorst § 816 Rz 4; Grüneberg/Sprau § 816 Rz 11; zum Bereicherungsausgleich beim Kommissionsgeschäft MüKo/Schwab § 816 Rz 11 mwN).
Rn 6
Berechtigter iSd § 816 I 1 ist derjenige, der nach den allg Regeln der rechtlichen Güterzuordnung im Zeitpunkt der Vermögensverschiebung verfügungsbefugt gewesen wäre (vgl BGH NJW 04, 365), beim Treuhandgeschäft also der Treuhänder, und zwar selbst dann, wenn er im Innenverhältnis seine Treuhandbefugnisse pflichtwidrig überschreitet (BGH NJW 99, 1026; MüKo/Schwab § 816 Rz 28; aA Jakobs ZIP 99, 733). Bei mehreren Berechtigten (Miteigentümer, Eigentümer und Pfandrechtsinhaber) kann entspr § 1011 jeder vom Verfügenden Herausgabe an alle verlangen (BGH LM § 812 Nr 15; iE hierzu Staud/Lorenz § 816 Rz 14).
Rn 7
Die Verfügung des Nichtberechtigten ist dem Berechtigten ggü von Anfang an wirksam, wenn dieser eingewilligt hat (§ 185 I), sonst va in den gesetzlich geregelten Fällen des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten (§§ 932 ff, 936, 1032, 1207) unter Berücksichtigung der Bestimmungen über die Legitimationswirkung des Grundbuchs (§§ 892, 893, 1138, 1155 ff, 1192, 1200) und des Erbscheins (§§ 2366 ff).
Rn 8
War die Verfügung des Nichtberechtigten nach obigen Grundsätzen unwirksam – insb weil der Empfänger bösgläubig (§ 932 I 1, II) oder die Sache dem Berechtigten abhandengekommen war (§ 935) – so hat der Berechtigte es in der Hand, die Verfügung durch seine Genehmigung gem §§ 185 II 1 Alt 1, 184 I rückwirkend wirksam werden zu lassen (dazu...