1. Grundgedanke und Regelungsgehalt.
Rn 17
§ 816 II regelt den interessengerechten Ausgleich zwischen den Beteiligten, wenn der Schuldner eine Leistung an den Nichtberechtigten erbringt, die der wahre Gläubiger aufgrund gesetzlicher Schuldnerschutzbestimmungen gegen sich gelten lassen muss. Dann entsteht die Situation, dass der Gläubiger bei gleichzeitiger Befreiung des Schuldners seinen Anspruch gegen diesen einbüßt, während der Nichtberechtigte eine vermögenswerte Leistung erhält, die ihm nicht zusteht. Eine allg Eingriffskondiktion des Berechtigten gegen den rechtsgrundlos von einer Verbindlichkeit befreiten Schuldner aus § 812 I 1 Alt 2 kommt nicht in Betracht, weil der gesetzlich angeordnete Forderungsverlust dem Schuldner insoweit einen Behaltensgrund verschafft (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 816 Rz 33). § 816 II stellt klar, dass stattdessen der nichtberechtigte Empfänger den Zuwendungsgegenstand an den wahren Gläubiger herausgeben muss.
2. Tatbestandsmerkmale: Schuldbefreiende Leistung an den Nichtberechtigten.
Rn 18
Normzweck und Wirkungsweise des § 816 II lassen sich exemplarisch anhand der von §§ 407 ff umfassten Fallkonstellationen darstellen. Zahlt der Schuldner in Unkenntnis der zwischenzeitlich erfolgten Abtretung der Forderung an den Zedenten, so liegt darin eine schuldbefreiende Leistung, die der Zessionar als wahrer Gläubiger gegen sich gelten lassen muss. Dann ist der Zedent nichtberechtigter Leistungsempfänger – und damit Bereicherungs schuldner – iSd § 816 II, weil er weder Forderungsinhaber noch sonst rechtsgeschäftlich oder kraft Gesetzes zur Einziehung der Forderung befugt war (Grüneberg/Sprau § 816 Rz 17; HP/Wendehorst § 816 Rz 28f). Daran ändert sich nichts, wenn die Zahlung auf einem Konto bei seiner Bank eingeht, die – sofern nicht selbst aufgrund einer offengelegten Zession Forderungsinhaberin (hierzu BGH WM 59, 373f) – lediglich als Zahlstelle fungiert und deshalb nicht als Leistungsempfängerin angesehen werden kann (BGHZ 53, 139, 142; 72, 316, 318f). Bereicherungs gläubiger ist der Zessionar, der seine Forderung gegen den Schuldner verloren hat (§ 407). Erfolgt die Leistung des Schuldners hingegen bei offengelegter unwirksamer Zession mit gem § 409 I 1 schuldbefreiender Wirkung an den (vermeintlichen) Zessionar, so steht der Kondiktionsanspruch aus § 816 II dem Zedenten gegen den Zessionar zu. Bei mehrfacher Abtretung derselben Forderung kommt es zum Bereicherungsausgleich zwischen dem Erstzessionar/Zedenten und dem Zweitzessionar, wenn Letzterer die Forderung trotz der Unwirksamkeit der Zweitabtretung mit gem §§ 408 I, 407 schuldbefreiender Wirkung beim Schuldner einzieht (BGH ZIP 19, 856; NJW-RR 03, 1490). Im Gesetz finden sich außer in §§ 407 ff zahlreiche weitere Regelungen, die aus Gründen des Schuldnerschutzes die Wirksamkeit fehlgeleiteter Leistungen anordnen und so zum Bereicherungsausgleich nach § 816 II führen können. Zu nennen sind bspw §§ 566c, 808 I 1, 851, 893, 1058, 1158 f, 2019 II, 2135, 2367; § 836 II ZPO; § 365 HGB; Art 16 WG; § 82 InsO; § 76 VVG (weitere Bsp bei MüKo/Schwab § 816 Rz 78). Zum Fall des § 808 I vgl BGH ZIP 19, 1609 = NJW 19, 3075.
Rn 19
Probleme bereitet die Anwendung des § 816 II beim Zusammentreffen von verlängertem Eigentumsvorbehalt und verdeckter Globalzession an die Bank des Vorbehaltskäufers, wenn die Globalzession – wie oft in derartigen Fällen – nach § 138 nichtig ist (hierzu BGH NJW 91, 2147 [BGH 07.05.1991 - IX ZR 30/90]; 99, 940 [BGH 08.12.1998 - XI ZR 302/97]). Zahlt der Abnehmer des Vorbehaltskäufers dann gleichwohl auf dessen Konto bei der Bank, so stellt sich die Frage, wer Leistungsempfänger und damit Bereicherungsschuldner des Vorbehaltsverkäufers iSd § 816 II ist. Nach obigen Grundsätzen ist das der Vorbehaltskäufer/Zedent, weil dessen Bank bei einer nicht offengelegten Globalzession nach außen lediglich als Zahlstelle auftritt (Rn 18). Dann besteht allerdings die Gefahr, dass der Vorbehaltsverkäufer aE leer ausgeht, wenn die Bank – wie üblich – eingehende Zahlungen ungeachtet der Nichtigkeit der Globalzession sogleich mit ihrer Kreditforderung gegen den Vorbehaltskäufer im Kontokorrent verrechnet und der Vorbehaltskäufer iÜ illiquide oder gar insolvent ist. Zur Vermeidung der sich hieraus für den Vorbehaltsverkäufer ergebenden Nachteile soll die Bank sich nach der Rspr des BGH gem § 242 jedenfalls dann nicht darauf berufen können, lediglich Zahlstelle gewesen zu sein, wenn sie den Vorbehaltskäufer/Zedenten dazu veranlasst hat, seine Forderungen ausschl über das bei ihr geführte Konto einzuziehen (BGHZ 72, 316, 322; ebenso MüKo/Schwab § 816 Rz 85 mwN; Staud/Lorenz § 816 Rz 33; Grüneberg/Sprau § 816 Rz 22) oder sie ihre Funktion als Zahlstelle in sonstiger Weise treuwidrig zu ihrem Vorteil nutzt (Brandbg WM 99, 267, 270 [OLG Brandenburg 10.02.1998 - 2 U 175/96]). Darüber hinaus soll der Bank ggü einem gegen sie gerichteten Kondiktionsanspruch des Zessionars aus § 816 II trotz Gutschrift des Forderungsbetrages auf dem Konto des Zedenten der Entreicherungseinwand aus § 818 III zu versagen sein, wenn die Gutschrift noch storniert werden kann (BGHZ 26, 1...