Rn 7
Wortlaut und systematische Stellung der Norm legen auf erste Sicht den Schluss nahe, dass die Kondiktionssperre nur für den in 1 normierten Sondertatbestand der Leistungskondiktion gelten soll. Dann wäre sie allerdings wegen der regelmäßig durch §§ 134, 138 begründeten Nichtigkeit des solcherart gesetzes- oder sittenwidrigen Verpflichtungsgeschäftes und der sich daraus ergebenden Kondiktionsmöglichkeit nach § 812 I 1 Alt 1 (condictio indebiti) weitgehend funktionslos (s Rn 3). Deshalb ist mit der – wenngleich in vielen Einzelheiten uneinheitlichen – hM davon auszugehen, dass § 817 2 grds alle Tatbestände der Leistungskondiktion betrifft (zuletzt BGH ZRI 22, 58 Rz 31; BGH NJW 05, 1490 – Kaufvertrag über Radarwarngerät; BGHZ 6, 359, 399; 50, 90, 91; Staud/Lorenz § 817 Rz 10; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 10 mwN), nicht hingegen diejenigen der Nichtleistungskondiktion (BGH NJW 03, 582, 584; BGHZ 39, 87, 91; Staud/Lorenz § 817 Rz 10; MüKo/Schwab § 817 Rz 10; für den Anwendungsbereich der Aufwendungskondiktion: BGHZ 41, 341, 349f). Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus (›gleichfalls‹) auch auf einseitige Sitten- oder Gesetzesverstöße des Leistenden zu erstrecken, weil sonst der verwerflich handelnde Empfänger in Anwendung des Kondiktionsausschlusstatbestandes des § 817 2 besser stünde als derjenige, der sich redlich verhält (BGHZ 50, 90, 91; BGH NJW-RR 93, 1457; HP/Wendehorst § 817 Rz 11; Anwk/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 10; Grüneberg/Sprau § 817 Rz 12; unentsch MüKo/Schwab § 817 Rz 34 mwN). Allerdings zwingt ein derart extensives Normverständnis dann zu punktuellen, an der Interessenlage im Einzelfall orientierten Einschränkungen, die gemeinhin an den Kriterien der Endgültigkeit der Vermögensverschiebung und des Schutzzwecks der verletzten Norm festgemacht werden (dazu iE sogleich Rn 13 ff).
Rn 8
Streitig ist, ob § 817 2 analog auf Ansprüche außerhalb des Bereicherungsrechts Anwendung findet. Der BGH hat das verneint (BGHZ 41, 341), insb für Ansprüche aus Vertrag (BGH DB 55, 1163), aus Delikt (BGH NJW 92, 310), aus GoA (BGHZ 39, 87, 91, vgl auch BGH NJW 97, 47 – Titelkauf; aA HP/Wendehorst § 817 Rz 13; iE hierzu MüKo/Schwab § 817 Rz 14 ff; Staud/Lorenz § 817 Rz 14, jeweils mN aus der zT uneinheitlichen Rspr) nach § 143 I InsO (BGH, Beschl v 16.7.09 – IX ZR 53/08) und für Vindikationsansprüche gem §§ 985, 987 ff (BGH LM zu § 817 Nr 1 u 20; BGHZ 63, 365). Das führt im letztgenannten Zusammenhang indes zu Wertungswidersprüchen, wenn der Leistende gem § 985 Herausgabe verlangen kann, weil der Gesetzes- oder Sittenverstoß ausnahmsweise auch zur Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts geführt hat (hierzu iE § 138 Rn 42). Dann stünde der Empfänger besser, als er stehen würde, wenn nur das Grundgeschäft nichtig gewesen wäre. Deshalb erscheint es grds gerechtfertigt, den sich aus § 817 2 ergebenden Rechtsgedanken entspr auf Vindikationsansprüche anzuwenden (ebenso Staud/Lorenz § 817 Rz 14; HP/Wendehorst § 817 Rz 13; Anwk/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 13; Medicus Rz 697; Larenz/Canaris Schuldrecht II 2, § 68 III 3e), freilich nur, soweit nicht bereits der Schutzzweck des verletzten Verbotsgesetzes die Rückabwicklung der Vermögensverschiebung gebietet (dazu unten Rn 13 ff).
Rn 9
Angesichts ihres sich so ergebenden Anwendungsbereichs ist die Vorschrift des § 817 2 zwingend. Sie kann insb nicht dadurch umgangen werden, dass die Parteien anstelle des ausgeschlossenen Bereicherungsanspruchs die Rückabwicklung der gesetzes- oder sittenwidrigen Vermögensverschiebung anderweitig, etwa durch die Vereinbarung eines Darlehens, zu begründen versuchen (BGHZ 28, 164, 169 f; BGH NJW 94, 187). Demgegenüber ist die Anwendung des § 817 2 ausgeschlossen, wo das Gesetz solches vorschreibt. Wichtigster Fall neben § 817 2 Hs 2 (dazu unten Rn 12) ist § 5 1 HS 2 WoVermG bei Zahlungen an den insoweit nichtberechtigten Wohnungsvermittler (vgl auch BGH NJW-RR 01, 1044, 1046 [BGH 14.12.2000 - I ZR 213/98] zu § 23 II 4 GüKG aF betr Schmiergeldzahlungen des Transportunternehmers).