a) Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistenden.
Rn 10
Der Kondiktionsausschluss nach § 817 2 greift, wenn zumindest der Zuwendende (zur extensiven Auslegung der Vorschrift idS Rn 7) mit seiner Leistung einen Zweck verfolgt, der einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten nach den durch §§ 134, 138 vorgegebenen Maßstäben (iE s §§ 134, 138) darstellt. Allerdings muss nach zutreffender Auffassung zum objektiv feststellbaren Gesetzes- oder Sittenverstoß die subjektive Kenntnis des Leistenden von den diesen Vorwurf tragenden Umständen hinzutreten (BGH NJW 83, 1420, 1423 [BGH 02.12.1982 - III ZR 90/81]; 89, 3217, 3218 [BGH 15.06.1989 - III ZR 9/88]; 93, 2108), wobei ungeklärt ist, ob diese Kenntnis auch in das Bewusstsein münden muss, gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßen zu haben (so für Gesetzesverstoß: BGHZ 50, 90, 92; aA MüKo/Schwab § 817 Rz 69; Staud/Lorenz § 817 Rz 21). Richtig dürfte ein Mittelweg sein, wonach es ausreicht, dass der Leistende sich zumindest leichtfertig der Einsicht in die gesetzlich sanktionierte Verwerflichkeit seines Handelns verschließt (BGH ZRI 22, 58 Rz 31; BGH NJW 05, 1490 [BGH 23.02.2005 - VIII ZR 129/04]; 00, 1560, 1562; ebenso HP/Wendehorst § 817 Rz 16; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 16 mwN). Maßgeblich für die Beurteilung der den Kondiktionsausschluss nach § 817 2 rechtfertigenden Umstände ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung (BGH NJW 00, 1560, 1562). Bei konkurrierenden Beweggründen kommt es darauf an, ob die überwiegend redlichen Motive des Leistenden die Kondiktion des Zuwendungsgegenstandes zu rechtfertigen vermögen (BGHZ 35, 103, 108).
Rn 11
Hinsichtlich des Gesetzes- oder Sittenverstoßes müssen sich der Leistende entspr § 166 das Verhalten seines Vertreters (Staud/Lorenz § 817 Rz 17; Grüneberg/Sprau § 817 Rz 16; im Ausgangspunkt ebenso BGHZ 36, 395, 399), der Rechtsnachfolger (Erbe, Zessionar) das seines Vorgängers zurechnen lassen (BGH NJW-RR 93, 1457, 1458 [BGH 14.07.1993 - XII ZR 262/91]; Staud/Lorenz § 817 Rz 17; einschränkend MüKo/Schwab § 817 Rz 58, wenn die missachtete Verbotsnorm gerade den Rechtsnachfolger schützen soll). Das gilt auch für den Insolvenzverwalter, wenn es um das Fehlverhalten des Gemeinschuldners geht (BGHZ 106, 169, 174 ff; anders noch BGH NJW 62, 483f).
b) Einschränkungen.
aa) Eingehung einer Verbindlichkeit – § 817 S 2 Hs 2.
Rn 12
Der Ausschlusstatbestand des § 817 2 greift nicht, wenn die bereicherungsrechtlich relevante Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand – § 817 2 Hs 2. Gemeint sind va die rechtsgrundlose Abgabe eines abstrakten Schuldanerkenntnisses (vgl § 812 II; iE § 812 Rn 52 f), aber auch die Hingabe eines Wechsels (BGH NJW 94, 187 [BGH 05.10.1993 - XI ZR 200/92]) oder Schecks (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 22). Hintergrund hierfür ist abermals eine Wertungsentscheidung des Gesetzgebers. Der bis dahin nur in einem Schuldversprechen manifestierte Gesetzes- oder Sittenverstoß soll nicht dadurch perpetuiert werden, dass der Empfänger erst durch die Realisierung der Forderung die von der Rechtsordnung missbilligte Vermögensverschiebung herbeiführt (BGH NJW 84, 187 [OLG Oldenburg 29.09.1983 - Ss 442/83]; eingehend Staud/Lorenz § 817 Rz 24 f mwN). Ist die Forderung hingegen bereits erfüllt, bleibt es folgerichtig gem § 817 2 Hs 2 aE beim Kondiktionsausschluss. Fraglich erscheint, ob die Einschränkung des § 817 2 Hs 2 auch dann gelten kann, wenn der Kondiktionsausschluss sich in extensiver Auslegung des § 817 2 aus einem einseitigen Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistenden ergibt (dazu oben Rn 7). Denn dann besteht bei näherer Betrachtung kein sachlicher Grund, den Leistenden – auch in diesem Punkt über den Wortlaut der Vorschrift hinaus – dadurch zu begünstigen, dass er den in der eingegangenen Verbindlichkeit bestehenden Kondiktionsgegenstand trotz des nur ihn treffenden Unredlichkeitsvorwurfs vom redlichen Empfänger herausverlangen und sich so der Erfüllung der Verbindlichkeit entziehen können soll.
bb) Schutzzweck der verletzten Verbotsnorm/Endgültigkeit der Vermögensverschiebung.
Rn 13
Der in § 817 2 Hs 2 zu Tage tretende Rechtsgedanke einer wertenden Beurteilung der durch den Gesetzes- oder Sittenverstoß geschaffenen Vermögenssituation erlangt auch in anderem Zusammenhang Bedeutung. So besteht bspw bei Wucherdarlehen die unredliche Vermögensverschiebung nicht in der Gewährung der Darlehenssumme, sondern in der Überlassung von Kapital auf Zeit, wofür der Empfänger als Gegenleistung regelmäßig eine Nutzungsvergütung in Höhe der vereinbarten Darlehenszinsen zu entrichten hat. Deshalb hindert § 817 2 lediglich die vorzeitige Rückforderung des Darlehens, nicht hingegen die von der missbilligenden Wertungsentscheidung des Gesetzes grds überhaupt nicht tangierte Rückforderung der Darlehensvaluta nach der vertraglich vereinbarten oder sich aus den gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten ergebenden Beendigung des Darlehensverhältnisses (BGH ZIP 06, 2219 Rz 14 f; NJW 83, 1420, 1422; 89, 3217; 95, 1152, 1153; BGHZ 99, 333, 338 f; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 17; HP/Wendehorst § 817 Rz 20 f; Staud/Lorenz § 817 Rz 12; Medicus BürgR Rz 699). Danach kann die Rückforderung des Darlehens n...