aa) Eingehung einer Verbindlichkeit – § 817 S 2 Hs 2.
Rn 12
Der Ausschlusstatbestand des § 817 2 greift nicht, wenn die bereicherungsrechtlich relevante Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand – § 817 2 Hs 2. Gemeint sind va die rechtsgrundlose Abgabe eines abstrakten Schuldanerkenntnisses (vgl § 812 II; iE § 812 Rn 52 f), aber auch die Hingabe eines Wechsels (BGH NJW 94, 187 [BGH 05.10.1993 - XI ZR 200/92]) oder Schecks (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 22). Hintergrund hierfür ist abermals eine Wertungsentscheidung des Gesetzgebers. Der bis dahin nur in einem Schuldversprechen manifestierte Gesetzes- oder Sittenverstoß soll nicht dadurch perpetuiert werden, dass der Empfänger erst durch die Realisierung der Forderung die von der Rechtsordnung missbilligte Vermögensverschiebung herbeiführt (BGH NJW 84, 187 [OLG Oldenburg 29.09.1983 - Ss 442/83]; eingehend Staud/Lorenz § 817 Rz 24 f mwN). Ist die Forderung hingegen bereits erfüllt, bleibt es folgerichtig gem § 817 2 Hs 2 aE beim Kondiktionsausschluss. Fraglich erscheint, ob die Einschränkung des § 817 2 Hs 2 auch dann gelten kann, wenn der Kondiktionsausschluss sich in extensiver Auslegung des § 817 2 aus einem einseitigen Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistenden ergibt (dazu oben Rn 7). Denn dann besteht bei näherer Betrachtung kein sachlicher Grund, den Leistenden – auch in diesem Punkt über den Wortlaut der Vorschrift hinaus – dadurch zu begünstigen, dass er den in der eingegangenen Verbindlichkeit bestehenden Kondiktionsgegenstand trotz des nur ihn treffenden Unredlichkeitsvorwurfs vom redlichen Empfänger herausverlangen und sich so der Erfüllung der Verbindlichkeit entziehen können soll.
bb) Schutzzweck der verletzten Verbotsnorm/Endgültigkeit der Vermögensverschiebung.
Rn 13
Der in § 817 2 Hs 2 zu Tage tretende Rechtsgedanke einer wertenden Beurteilung der durch den Gesetzes- oder Sittenverstoß geschaffenen Vermögenssituation erlangt auch in anderem Zusammenhang Bedeutung. So besteht bspw bei Wucherdarlehen die unredliche Vermögensverschiebung nicht in der Gewährung der Darlehenssumme, sondern in der Überlassung von Kapital auf Zeit, wofür der Empfänger als Gegenleistung regelmäßig eine Nutzungsvergütung in Höhe der vereinbarten Darlehenszinsen zu entrichten hat. Deshalb hindert § 817 2 lediglich die vorzeitige Rückforderung des Darlehens, nicht hingegen die von der missbilligenden Wertungsentscheidung des Gesetzes grds überhaupt nicht tangierte Rückforderung der Darlehensvaluta nach der vertraglich vereinbarten oder sich aus den gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten ergebenden Beendigung des Darlehensverhältnisses (BGH ZIP 06, 2219 Rz 14 f; NJW 83, 1420, 1422; 89, 3217; 95, 1152, 1153; BGHZ 99, 333, 338 f; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 17; HP/Wendehorst § 817 Rz 20 f; Staud/Lorenz § 817 Rz 12; Medicus BürgR Rz 699). Danach kann die Rückforderung des Darlehens nur dann ausnahmsweise ganz ausgeschlossen sein, wenn gerade der Schutzzweck der tangierten Nichtigkeitsnorm dies gebietet, wie etwa bei der Hingabe eines Darlehens zwecks Teilnahme an einem verbotenen Glücksspiel (MüKo/Schwab § 817 Rz 40 mwN; HP/Wendehorst § 817 Rz 21; vgl auch BGH ZIP 06, 2219 Rz 15; NJW 95, 1152). Ist hingegen nach vorstehenden Grundsätzen lediglich die vorzeitige Rückforderung des Darlehen gem § 817 2 ausgeschlossen, so stellt sich die Frage, ob der Leistende für die Dauer der (rechtsgrundlosen) Kapitalnutzung durch den Empfänger von diesem gem § 818 I 2 Wertersatz in Höhe des marktüblichen Zinses beanspruchen kann. Die Rspr lehnt das ab, weil andernfalls der Wucherer im Vertrauen auf die Erwirtschaftung jedenfalls gesetzlich zulässiger Zinsen letztlich gefahrlos unredlich hohe Darlehenszinsen vereinbaren könne (BGH NJW 83, 1420, 1422 f; BGHZ 99, 333, 338; ebenso AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 18; HP/Wendehorst § 817 Rz 21; Grüneberg/Sprau § 817 Rz 21; mit anderer Begr iE ebenso MüKo/Schwab § 817 Rz 37). Dem ist zuzustimmen, wenn man davon ausgeht, dass der dem Gedanken der Rechtsschutzverweigerung und der Generalprävention verpflichtete Normzweck des § 817 2 es gebietet, dem verwerflich zum Nachteil des redlichen Empfängers handelnden Leistenden solche Möglichkeiten nicht zu eröffnen (ebenso HP/Wendehorst § 817 Rz 21). Die Gegenmeinung erblickt in der Versagung eines Anspruchs auf Erstattung Marktüblicher Zinsen indes eine vom Normzweck des § 817 2 nicht getragene und deshalb nicht gerechtfertigte Sanktionierung der für verwerflich erachteten Leistungshandlung (Medicus Rz 700 mwN; Staud/Lorenz § 817 Rz 12; Reuter/Martinek 218 ff mwN).
Leistungen iRv Schneeballsystemen (›Schenkkreise‹) sind entgegen § 817 2 rückforderbar, wenn ein einfacher Teilnehmer vom Initiator oder Organisator des Schenkkreises die Rückforderung verlangt (Brandbg NJW-RR 13, 173; Müller/Eckel JuS 13, 966).
Rn 14
Das in alledem aufscheinende Kriterium der Endgültigkeit der Vermögensverschiebung findet auch abseits der soeben erörterten Wucherfälle auf andere Sachverhalte Anwendung, in denen es um Rückforderung von nur zu einem vorübergehenden Zweck erbrachten Leistungen geht. Sie gelten entspr für die (nichtige) Gebrauchs...