Rn 13
Der in § 817 2 Hs 2 zu Tage tretende Rechtsgedanke einer wertenden Beurteilung der durch den Gesetzes- oder Sittenverstoß geschaffenen Vermögenssituation erlangt auch in anderem Zusammenhang Bedeutung. So besteht bspw bei Wucherdarlehen die unredliche Vermögensverschiebung nicht in der Gewährung der Darlehenssumme, sondern in der Überlassung von Kapital auf Zeit, wofür der Empfänger als Gegenleistung regelmäßig eine Nutzungsvergütung in Höhe der vereinbarten Darlehenszinsen zu entrichten hat. Deshalb hindert § 817 2 lediglich die vorzeitige Rückforderung des Darlehens, nicht hingegen die von der missbilligenden Wertungsentscheidung des Gesetzes grds überhaupt nicht tangierte Rückforderung der Darlehensvaluta nach der vertraglich vereinbarten oder sich aus den gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten ergebenden Beendigung des Darlehensverhältnisses (BGH ZIP 06, 2219 Rz 14 f; NJW 83, 1420, 1422; 89, 3217; 95, 1152, 1153; BGHZ 99, 333, 338 f; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 17; HP/Wendehorst § 817 Rz 20 f; Staud/Lorenz § 817 Rz 12; Medicus BürgR Rz 699). Danach kann die Rückforderung des Darlehens nur dann ausnahmsweise ganz ausgeschlossen sein, wenn gerade der Schutzzweck der tangierten Nichtigkeitsnorm dies gebietet, wie etwa bei der Hingabe eines Darlehens zwecks Teilnahme an einem verbotenen Glücksspiel (MüKo/Schwab § 817 Rz 40 mwN; HP/Wendehorst § 817 Rz 21; vgl auch BGH ZIP 06, 2219 Rz 15; NJW 95, 1152). Ist hingegen nach vorstehenden Grundsätzen lediglich die vorzeitige Rückforderung des Darlehen gem § 817 2 ausgeschlossen, so stellt sich die Frage, ob der Leistende für die Dauer der (rechtsgrundlosen) Kapitalnutzung durch den Empfänger von diesem gem § 818 I 2 Wertersatz in Höhe des marktüblichen Zinses beanspruchen kann. Die Rspr lehnt das ab, weil andernfalls der Wucherer im Vertrauen auf die Erwirtschaftung jedenfalls gesetzlich zulässiger Zinsen letztlich gefahrlos unredlich hohe Darlehenszinsen vereinbaren könne (BGH NJW 83, 1420, 1422 f; BGHZ 99, 333, 338; ebenso AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 18; HP/Wendehorst § 817 Rz 21; Grüneberg/Sprau § 817 Rz 21; mit anderer Begr iE ebenso MüKo/Schwab § 817 Rz 37). Dem ist zuzustimmen, wenn man davon ausgeht, dass der dem Gedanken der Rechtsschutzverweigerung und der Generalprävention verpflichtete Normzweck des § 817 2 es gebietet, dem verwerflich zum Nachteil des redlichen Empfängers handelnden Leistenden solche Möglichkeiten nicht zu eröffnen (ebenso HP/Wendehorst § 817 Rz 21). Die Gegenmeinung erblickt in der Versagung eines Anspruchs auf Erstattung Marktüblicher Zinsen indes eine vom Normzweck des § 817 2 nicht getragene und deshalb nicht gerechtfertigte Sanktionierung der für verwerflich erachteten Leistungshandlung (Medicus Rz 700 mwN; Staud/Lorenz § 817 Rz 12; Reuter/Martinek 218 ff mwN).
Leistungen iRv Schneeballsystemen (›Schenkkreise‹) sind entgegen § 817 2 rückforderbar, wenn ein einfacher Teilnehmer vom Initiator oder Organisator des Schenkkreises die Rückforderung verlangt (Brandbg NJW-RR 13, 173; Müller/Eckel JuS 13, 966).
Rn 14
Das in alledem aufscheinende Kriterium der Endgültigkeit der Vermögensverschiebung findet auch abseits der soeben erörterten Wucherfälle auf andere Sachverhalte Anwendung, in denen es um Rückforderung von nur zu einem vorübergehenden Zweck erbrachten Leistungen geht. Sie gelten entspr für die (nichtige) Gebrauchsüberlassung von Gegenständen auf Zeit, sofern man eine entspr Anwendbarkeit des § 817 2 auf die dann vorrangig gegebenen Ansprüche aus §§ 985, 987 grds bejaht (dazu oben Rn 8; zum Sonderfall des Mietwuchers und der sich aus §§ 5 WiStG, 134 ergebenden Konsequenz einer geltungserhaltenden Reduktion des Mietvertrages Staud/Lorenz § 817 Rz 12 unter Hinweis auf BGHZ 89, 316, 317f). Allerdings wird der Schutzzweck der verletzten Verbotsnorm es in derartigen Fällen oft gebieten, dem Leistenden die sofortige Rückforderung zu gestatten, um einer Förderung des für gesetzes- bzw sittenwidrig befundenen Verwendungszwecks entgegenzuwirken (BGHZ 28, 255, 257 f; zu den Besonderheiten bei nichtigen Geschäftsbesorgungsverträgen und Treuhandabreden MüKo/Schwab § 817 Rz 48 ff; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 21, jeweils mit Nw aus der uneinheitlichen Rspr). Markantes Bsp hierfür sind die sog Bordellpachtfälle, in denen die Anwendung der Kondiktionssperre aus § 817 2 faktisch zu einer Legalisierung der zinslosen Bordellnutzung führen würde und deshalb durch den Normzweck des § 138 überspielt wird (BGHZ 41, 341, 343 f – grds gegen eine entspr Anwendung des § 817 2; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 14, 19; Staud/Lorenz § 817 Rz 11; Medicus BürgR Rz 698; vgl auch BGH WM 90, 799, 802 [BGH 15.03.1990 - III ZR 248/88] – ›Bordellschifffall‹ für die Gewährung eines ›bordellbezogenen‹ Darlehens). Den vom Bordellpächter für die bereits erfolgte Nutzung gezahlten Pachtzins darf der Verpächter gem § 987 behalten (BGHZ 63, 365, 368; Staud/Lorenz § 817 Rz 11; aA Larenz/Canaris Schuldrecht II/2, § 68 III e). Mit ähnlichen Erwägungen wird auch ...