Rn 29
Vor diesem Hintergrund rückt die Saldotheorie in ihrer jetzt vorherrschenden Lesart den Gesichtspunkt der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung in den Mittelpunkt der Bemühungen um eine geordnete bereicherungsrechtliche Rückabwicklung gegenseitiger Verträge (grundlegend hierzu v Caemmerer FS Rabel [54], 396; zur historischen Entwicklung und zum Meinungsstand MüKo/Schwab § 818 Rz 210 ff mwN). Sie gelangt auf dem Boden eines faktisch fortwirkenden Synallagmas zu der Erkenntnis, dass die wechselseitig rechtsgrundlos erbrachten Leistungen nicht zu selbstständigen Bereicherungsansprüchen führen, sondern lediglich iRd § 818 III als unselbstständige Abzugsposten bei der Ermittlung eines einheitlichen Bereicherungssaldos zu berücksichtigen sind. Bereicherungsgläubiger ist dann derjenige, zu dessen Gunsten sich aus der Leistung und Gegenleistung umfassenden Saldierung der Aktiv- und Passivposten ein Überschuss ergibt (BGHZ 175, 265 Rz 15 – ›Rheinmöve‹; BGH NJW 07, 3425, 3427 f Rz 20, 24 – ›Lurgi I‹; NJW 09, 2886, 2888 Rz 15 – ›Lurgi II‹; NJW 05, 884, 887 mwN; vgl auch BGHZ 145, 52; s.a. oben Rn 19). Diese Wirkungen einer ipso-iure-Saldierung ergeben sich allerdings naturgemäß nur bei Bereicherungsansprüchen auf gleichartige Leistungen, regelmäßig also dann, wenn dem Anspruch auf Rückzahlung der Gegenleistung ein gem § 818 II ebenfalls in Geld zu bedienender Wertersatzanspruch für den nicht mehr vorhandenen Gegenstand der Vertragsleistung gegenübersteht (vgl BGH NJW 01, 1863 [BGH 20.03.2001 - XI ZR 213/00]; so hätten auch die Fälle BGH NJW-RR 07, 710 [BGH 01.02.2007 - III ZR 126/06] und NJW 07, 1130 [BGH 01.02.2007 - III ZR 281/05] entschieden werden können, ohne auf den nicht unbedenklichen Ausschluss des Bereicherungsanspruchs aus dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung zurückgreifen zu müssen; ebenso Staud/Lorenz Vorb zu §§ 812 ff Rz 32; iE zur Bedeutung des § 242s § 812 Rn 3). Aber auch wenn die Bereicherungsansprüche der Beteiligten nicht gleichartig sind, bleibt es nach der Saldotheorie bei dem Grundsatz, dass über die Rückforderung der Leistung nicht ohne Berücksichtigung der Gegenleistung entschieden werden kann (AnwK/Linke § 818 Rz 67). Materiell-rechtlich führt dies dann allerdings dazu, dass die wechselseitigen Bereicherungsansprüche nur Zug-um-Zug zu erfüllen sind (HP/Wendehorst § 818 Rz 42 mwN).
Rn 30
In prozessualer Hinsicht haben die so gewonnenen Erkenntnisse zur Folge, dass der Anspruchsteller zur Vermeidung eines Teilunterliegens schon mit seinem Klageantrag dem Umstand Rechnung tragen muss, nur den Überschuss aus der Saldierung der beiderseitigen Bereicherungsansprüche beanspruchen zu können (BGH NJW 04, 229 [OLG München 10.12.2003 - 21 U 2392/03]). Im Falle ungleichartiger Bereicherungsansprüche muss der Klageantrag also auf Verurteilung zur Leistung Zug-um-Zug lauten (BGHZ 146, 298, 307; 147, 152, 157).
Rn 31
Zentrale Bedeutung hat die Saldotheorie in den Fällen, in denen die Zweikondiktionenlehre versagt (s.o. Rn 28). Soweit nämlich eine Partei eines gegenseitigen Vertrages zur Herausgabe der (unbeschädigten) Sache außerstande und insoweit entreichert ist, muss sie sich iRd nach obigen Grundsätzen vorzunehmenden Saldierung der wechselseitigen Bereicherungsansprüche gleichwohl deren Wert anspruchsmindernd abziehen lassen (Grüneberg/Sprau § 818 Rz 48; Medicus BürgR Rz 224), das jedoch nur, soweit sie in wertender Abwägung der Gesamtumstände das Risiko für den Untergang oder die Beschädigung der Sache zu tragen hat. Gerade an dieser Problematik zeigen sich die Grenzen und Unzulänglichkeiten der Saldotheorie (s.u. Rn 32).