1. Kenntnis.
Rn 3
Die Haftungsverschärfung gem § 819 I tritt ein, sobald der Bereicherungsschuldner positive Kenntnis vom Fehlen des rechtlichen Grundes erlangt hat. Erforderlich ist qualifizierte Kenntnis, die sich nicht nur auf die Tatsachen beschränken darf, welche die Rechtsgrundlosigkeit begründen (so aber Hamm NJW 77, 1824 [OLG Hamm 27.05.1977 - 11 U 56/77]), sondern mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Norm (s Rn 1) auch die Rechtsfolgen der Rechtsgrundlosigkeit umfassen muss (BGHZ 133, 246, 249 f mwN; BGH NJW 14, 2790, 2793 Rz 27; 92, 2415, 2417; Stuttg ZIP 23, 74; MüKo/Schwab § 819 Rz 2 f mwN; HP/Wendehorst § 819 Rz 3 f; AnwK/Linke § 819 Rz 2). Freilich wird man insoweit keine juristisch exakte Subsumtion verlangen können (Staud/Lorenz § 819 Rz 6; HP/Wendehorst § 819 Rz 3); ausreichend ist vielmehr eine am Maßstab des objektiv redlich Denkenden zu messende Parallelwertung in der Laiensphäre, die den Empfänger auf der Grundlage der (objektiv) feststellbaren Tatsachen zu der (subjektiven) Erkenntnis hätte bringen müssen, dass er den Zuwendungsgegenstand nicht behalten darf (vgl BGHZ 133, 246, 249 ff; HP/Wendehorst § 819 Rz 3 f; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 819 Rz 2). Demgegenüber reicht selbst grob fahrlässige Unkenntnis außerhalb des Regelungsbereichs anderweitiger Sonderbestimmungen (§§ 87 II BBG, 53 II BRRG, 49a II 2 VwVfG) nicht aus (Staud/Lorenz § 819 Rz 8 mwN), ebenfalls nicht Bösgläubigkeit iSd § 932 II sowie bloße Zweifel am Fortbestand des Rechtsgrundes (AnwK/Linke § 819 Rz 2 mwN). In diesen Fällen soll aber eine Haftung des Bereicherungsschuldners aus § 280 I in Betracht kommen (BGHZ 72, 9, 14; München WM 71, 264, 265). Bei nach der InsO anfechtbar abgegebenen Vermögensgegenständen ordnet § 143 I 2 InsO ausdrücklich die Anwendung der Rechtsfolgen des § 819 I an (BGH NJW 12, 1959, 1962 Rz 31). Den Mangel des Rechtsgrundes kennt auch derjenige, der, um sich die Vorteile aus dem Geschäft zu sichern, sich bewusst der Einsicht verschließt, dass das Verpflichtungsgeschäft nichtig ist (Stuttg ZIP 23, 74 – Finanzagentenfall).
Rn 4
Bei (auflösend) bedingten Leistungen oder solchen unter Vorbehalt, weiß der Empfänger zwar um das Risiko, den Zuwendungsgegenstand wieder herausgeben zu müssen. Die verschärfte Haftung aus § 819 I trifft ihn nach obigen Grundsätzen jedoch erst dann, wenn er positive Kenntnis vom Eintritt der Bedingung bzw von der Verwirklichung des Vorbehalts erlangt (MüKo/Schwab § 819 Rz 17). Weiß der Empfänger hingegen, dass sein Vertragspartner zur Anfechtung des der Leistung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts berechtigt ist, so muss er sich nach erfolgter Anfechtung gem § 142 II so behandeln lassen, als habe er auch Kenntnis von der anfänglichen Nichtigkeit (§ 142 I) des Vertrages gehabt. Der Empfänger haftet also im Ergebnis verschärft, sobald er positive Kenntnis vom Anfechtungsrecht des Leistenden hat (BGH WM 73, 560, 562; Staud/Lorenz § 819 Rz 7; MüKo/Schwab § 819 Rz 4; AnwK/Linke § 819 Rz 7). Das ist im Ergebnis nicht anders, wenn der Leistungsempfänger zur Anfechtung berechtigt ist, und zwar auch dann nicht, wenn er (irrtümlich) davon ausgeht, dem Leistenden sei die Anfechtbarkeit bekannt (Staud/Lorenz § 819 Rz 7; AnwK/Linke § 819 Rz 7). Denn allein diese Kenntnis führt nicht zum Kondiktionsausschluss gem § 814 (s § 814 Rn 4), so dass der Leistungsempfänger in aller Regel keinen Anlass für die Annahme haben kann, den Bereicherungsgegenstand trotz Anfechtung behalten zu dürfen. Das gilt entgegen anderer Auffassung (RGZ 151, 361, 375f) erst recht, wenn dem Empfänger nicht einmal bewusst ist, dass der Leistende die Anfechtbarkeit kennt (Staud/Lorenz § 819 Rz 7; Reuter/Martinek 644). Demgegenüber ist der Leistungsempfänger nicht bösgläubig iSd § 819 I, wenn er Kenntnis davon hat oder ohne vorwerfbare Sorgfaltswidrigkeit irrtümlich annimmt, dass auch der Leistende von der tatsächlich bestehenden Rechtsgrundlosigkeit seiner Leistung weiß. Denn dann muss er – anders als in den vorerwähnten Anfechtungsfällen – wegen der Kondiktionssperre des § 814 nicht damit rechnen, den Bereicherungsgegenstand herausgeben zu müssen und es besteht kein hinreichender Grund, ihn der verschärften Haftung des § 819 I zu unterwerfen (BGH NJW 14, 2790, 2794 [BGH 09.05.2014 - V ZR 305/12] Rz 44; RGZ 137, 171, 179; MüKo/Schwab § 819 Rz 5; AnwK/Linke § 819 Rz 6; Erman/Buck-Heeb § 819 Rz 2). Streitig ist, ob diese Grundsätze eine entspr Anwendung des § 819 I auf die bereicherungsrechtliche Herausgabeverpflichtung des Darlehensempfängers bei unerkannt nichtigem Darlehensvertrag rechtfertigen. Das wird zT mit dem Argument befürwortet, der Darlehensempfänger müsse wegen § 488 I 2 auch ohne Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit der Darlehensgewährung davon ausgehen, die Darlehensvaluta irgendwann zurückzahlen zu müssen (BGH ZIP 07, 2219 Rz 16; BGHZ 83, 293, 295; Hamm NJW 81, 877). Überzeugend ist das schon deshalb nicht, weil der durch § 488 I 2 vorgegebene Bezugspunkt für die Rückzahlungsverpflichtung an deren kündigungsbedingte Fällig...