I. Bereicherungsanspruch gegen den Verfügenden.
Rn 2
Die Durchgriffshaftung aus § 822 setzt einen bestehenden, allerdings wegen § 818 III faktisch nicht durchsetzbaren Bereicherungsanspruch des Berechtigten gegen den verfügenden Ersterwerber voraus. Als Anspruchsgrundlage kommen alle in §§ 812–817 niedergelegten Kondiktionstatbestände in Betracht (allg M AnwK/Linke § 822 Rz 3; HP/Wendehorst § 822 Rz 4; MüKo/Schwab § 822 Rz 10), darüber hinaus auch § 822 selbst, wenn der Zweiterwerber den Kondiktionsgegenstand seinerseits einem Vierten unentgeltlich zugewendet hat (Erman/Buck-Heeb § 822, Rz 2; MüKo/Schwab § 822 Rz 10; HP/Wendehorst § 822 Rz 4). Für § 816 I 2 ergibt sich insoweit die Besonderheit, dass der unentgeltlich weitergegebene Vermögensgegenstand in dem durch die nichtberechtigte Verfügung erlangten Wertsurrogat besteht; bei § 816 I 2 richtet sich der originäre Kondiktionsanspruch ähnl wie bei § 822 gegen den unentgeltlichen Zweiterwerber, der als Nichtberechtigter – wiederum unentgeltlich – zugunsten eines Vierten verfügt hat. Geht man mit der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass es sich bei § 822 um eine eigenständige Anspruchsgrundlage handelt (Rn 1 aE), so findet die Vorschrift wegen der in ihr manifestierten grds Wertungsentscheidung des Gesetzgebers gleichwohl entspr Anwendung auf nicht realisierbare Ansprüche aufgrund von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht (dazu § 812 Rn 17), wie sie bspw in § 528 für den Herausgabeanspruch des bedürftigen Schenkers enthalten ist (BGHZ 158, 63 = NJW 04, 1314; 00, 134, 136; BGHZ 106, 354, 357 f; AnwK/Linke § 822 Rz 8; Staud/Lorenz § 822 Rz 5; Kopp JR 12, 493 f; folgerichtig für unmittelbare Anwendbarkeit, weil es sich bei § 822 strukturell um eine Rechtsfolgenregelung handele HP/Wendehorst § 822 Rz 3). Praktisch besonders bedeutsam wird der Rechtsgrundsatz des § 822 in den sog Anweisungsfällen, wenn bei unwirksamem Deckungsverhältnis eine unentgeltlich Zuwendung im Valutaverhältnis erfolgt ist (hierzu iE § 812 Rn 83 ff).
II. Unentgeltliche Zuwendung an einen Dritten.
Rn 3
Der Dritte muss den Kondiktionsgegenstand durch eine unentgeltliche rechtsgeschäftliche Zuwendung des primären Bereicherungsschuldners erlangt haben (statt aller Staud/Lorenz § 822 Rz 7f). In Betracht kommen insb Schenkungen, letztwillige Verfügungen an den Nichterben (Vermächtnisse) oder unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten (vgl BGH NJW-RR 01, 6, 7 [BGH 11.07.2000 - X ZR 78/98]; NJW 00, 134, 137 [BGH 23.09.1999 - X ZR 114/96]; AnwK/Linke § 822 Rz 4 mwN). Rechtsgrundlosigkeit steht der Unentgeltlichkeit ebensowenig gleich wie im Falle des § 816 I 2 (AnwK/Linke § 822 Rz 4, s iE § 816 Rn 16). Bei gemischten Schenkungen ist der Herausgabeanspruch aus § 822 idR auf Wertersatz für den unentgeltlichen Teil der Zuwendung beschränkt; iÜ haftet der primäre Bereicherungsschuldner nach allg Grundsätzen (MüKo/Schwab § 822 Rz 11; HP/Wendehorst § 822 Rz 7; AnwK/Linke § 822 Rz 4).
Rn 4
Der Empfänger muss das durch die unentgeltliche Zuwendung Erlangte herausgeben. Das können der dem Ersterwerber zugewendete Gegenstand selbst, aber auch die aus seiner Verwertung resultierenden Surrogate oder anderweitigen Nutzungsvorteile (§ 818 I), des Weiteren sein Wert sein (§ 818 II), soweit der Ersterwerber (nur) diese vermögenswerten Vorteile an den Empfänger weitergegeben hat. Und auch auf der zweiten Ebene des zweigliedrigen Erwerbsvorgangs greift § 818. Deshalb muss der Empfänger nur die ihm anstelle des ursprünglich zugewendeten Kondiktionsgegenstandes noch verbliebenen Surrogate und Nutzungen herausgeben bzw nur in dem Umfang Wertersatz leisten, in dem er vorbehaltlich seiner verschärften Haftung aus §§ 818 IV, 819, 820 noch bereichert ist – § 818 III (zum Ganzen BGH NJW 04, 1314; 99, 1026 f [BGH 03.12.1998 - III ZR 288/96]; MüKo/Lieb, 4. Aufl, § 822 Rz 7; AnwK/Linke § 822 Rz 5, 9; Erman/Westermann § 822 Rz 3; Reuter/Martinek 369; Staud/Lorenz § 822 Rz 6, 12). Weil der Bereicherungsgläubiger aus der unentgeltlichen Weitergabe des Kondiktionsgegenstandes iE keinen Vorteil ziehen soll, ist die Haftung des Empfängers darüber hinaus wertmäßig auf das beschränkt, was der Bereicherungsgläubiger vom Ersterwerber hätte kondizieren können (für eine tatbestandsmäßige Beschränkung des Anspruchs aus § 822 auf den Kondiktionsanspruch gegen den Ersterwerber BGH NJW 04, 1314 f [BGH 10.02.2004 - X ZR 117/02]; HP/Wendehorst § 822 Rz 11; mit gleichem Ergebnis, aber anknüpfend an den Gegenstand der unentgeltlichen Zuwendung AnwK/Linke § 822 Rz 9).
III. Infolgedessen kein Bereicherungsanspruch gegen Ersterwerber.
Rn 5
§ 822 gestattet dem Bereicherungsgläubiger den Durchgriff auf den Dritten nur dann, wenn die Realisierung des dem Grunde nach bestehenden Bereicherungsanspruchs gegen den Ersterwerber gerade daran scheitert, dass dieser durch die unentgeltliche Weitergabe des Kondiktionsgegenstandes entreichert ist – § 818 III (BGH NJW 03, 1445 [BGH 24.02.2003 - II ZR 385/99]; 69, 605 [BGH 09.01.1969 - VII ZR 185/66]). Daran fehlt es, soweit seine Entreicherung, die auch aus zu saldierenden Aufwendungen auf den Bereicherungsgegenstand resultieren kann (§ 818 III, s § 818 Rn ...