Rn 131
Das Verschulden setzt jedenfalls voraus, dass der Schädiger die Verkehrspflicht erkennen konnte und erkannt hat (BGH NJW 85, 620, 621 [BGH 23.10.1984 - VI ZR 85/83]; 95, 2631, 2632; Erman/Wilhelmi § 823 Rz 87; v Bar JuS 88, 169, 173). Eine weitergehende Ansicht (BGHZ 58, 48, 56; 93, 351, 357; Larenz/Canaris § 76 III 7a) verlangt auch die Vorhersehbarkeit der Möglichkeit einer Verletzung eines Rechtsguts iSd § 823 I. Da dies der hier befürworteten materiellrechtlichen Einordnung der Verkehrspflichten (s.o. Rn 3) entspricht, ist dieser Auffassung zu folgen.
Rn 132
Der Verschuldensmaßstab setzt sich aus einem objektiven und einem subjektiven Element zusammen. Das objektive Element (Verletzung der äußeren Sorgfalt) betrifft insb die Erkennbarkeit der Verkehrspflichtverletzung, die nur gegeben ist, wenn die Verkehrspflicht bereits anerkannt war (bei erstmaliger Begründung einer solchen Pflicht durch die Rspr entfällt regelmäßig das Verschulden, BGH NJW 85, 620, 621 [BGH 23.10.1984 - VI ZR 85/83]; 95, 2631, 2632; Erman/Wilhelmi § 823 Rz 87). Die Einhaltung von DIN-Normen reicht nicht immer aus (s nur BGH VersR 66, 165, 166 [BGH 07.12.1965 - VI ZR 149/64]; NJW 97, 582, 583 f [BGH 12.11.1996 - VI ZR 270/95]; BeckRS 19, 20304 Rz 14 ff mwN), ihre Nichteinhaltung begründet aber umgekehrt nicht automatisch ein Verschulden oder auch nur eine Vermutung einer Verkehrspflichtverletzung, sondern es muss insbesondere der Zweck der verletzten Norm berücksichtigt (zu einer solchen besonderen Konstellation Karlsr VersR 18, 681, 682: Verwendung eines Kugelhahns ohne vorgeschriebenes Herstellerkennzeichen durch Installateur, für den die Undichtigkeit des Hahns nicht erkennbar war, begründet keine Verkehrspflichtverletzung) und eine Einzelfallabwägung (dazu insb BGHZ 223, 95 Rz 15) vorgenommen werden. IRd subjektiven Elements (Verletzung der inneren Sorgfalt) sind besondere Kenntnisse und Fertigkeiten des Sicherungspflichtigen (zu seinen Lasten) zu berücksichtigen (zB BGH NJW 87, 1479, 1480 [BGH 10.02.1987 - VI ZR 68/86]; 94, 2232, 2233 [BGH 31.05.1994 - VI ZR 233/93]; Erman/Wilhelmi § 823 Rz 87 aE). Teilweise lässt die Rspr für das Verschulden einen Anscheinsbeweis durchgreifen (s insb BGH NJW 86, 2757, 2758; GuT 12, 120 [BGH 17.04.2012 - VI ZR 126/11] Rz 6 mwN). Ein Mitverschulden des Geschädigten ist nach allg Grundsätzen zu berücksichtigen; es kann im Einzelfall sogar zum Haftungsausschluss führen (Celle OLGR 06, 83).