Rn 75
Neben dem gesondert darzustellenden Recht am Unternehmen (Rn 79 ff) und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Rn 105) werden insb folgende weitere Fallgruppen ›sonstiger Rechte‹ diskutiert:
a) Recht am eigenen Arbeitsplatz; Koalitionsfreiheit.
Rn 76
Ob das Recht am eigenen Arbeitsplatz ein sonstiges Recht ist (insb bei Kündigung auf Betreiben anderer Arbeitnehmer – ›Druckkündigung‹ – von Bedeutung), wird in der Rspr nicht einheitlich beurteilt (dagegen: LAG Hessen BeckRS 06, 41360 Rz 36; offengelassen: BAG NJW 99, 164, 165 f; NZA 07, 1167 [BAG 18.01.2007 - 8 AZR 234/06] Rz 11; 14, 1023 Rz 26). Die Literaturmeinungen sind geteilt (für Anerkennung als sonstiges Recht im Verhältnis zu Dritten, soweit auch das Unternehmen gegen einen zielgerichteten Eingriff geschützt wäre, zB BeckOGK/Spindler § 823 Rz 199 mwN; dagegen zB MüKo/Wagner § 823 Rz 357 mwN; s.a. Bieszk Schadensersatzansprüche gegen Arbeitskollegen bei Mobbing 07). Bei Mobbing kommt auch eine Verletzung der Gesundheit oder des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht (s.o. Rn 28 sowie MüKo/Wagner § 823 Rz 357; NK-BGB/Katzenmeier § 823 Rz 87; Rieble/Klumpp ZIP 02, 369, 372 ff). Teilweise wird auch die Koalitionsfreiheit als sonstiges Recht qualifiziert (zB BGHZ 42, 210, 219; BAG NJW 89, 186, 187; NZA 99, 887, 890 f; 11, 1169 Rz 39). Das erscheint angesichts der für das Vorliegen eines sonstigen Rechts notwendigen Anforderungen vertretbar, dürfte jedoch im Vergleich zu § 823 II iVm Art 9 III GG kaum weitergehende Schutzmöglichkeiten eröffnen (s nur Soergel/Spickhoff § 823 Rz 104).
b) Recht am eigenen Datenbestand.
Rn 77
Zu Recht wird zunehmend ein Recht am eigenen Datenbestand als sonstiges Recht angeführt (zB Meier/Wehlau NJW 98, 1585, 1588 f; Hörl ITRB 14, 111, 112; BeckOGK/Spindler § 823 Rz 187 ff; ders FS Coester-Waltjen 1183, 1186 ff; ders JZ 16, 805, 813 f; jetzt auch Riehm VersR 19, 714, 720 ff; iE wohl auch Berberich/Golla PinG 16, 165, 172 ff; Haller Digitale Inhalte als Herausforderung für das BGB 19, 106; aA Staud/J Hager § 823 Rz B 192; Spickhoff in Leible/Lehmann/Zech, Unkörperliche Güter im Zivilrecht 11, 233, 243 ff; Faust Gutachten zum 71. DJT 16, A 80 ff; Härting CR 16, 646, 649; Steinrötter MMR 17, 731, 734; s.a. Zech CR 15, 137, 143 ff: für Schaffung eines Ausschließlichkeitsrechts des Datenerzeugers de lege ferenda; aA Lesser Haftungsprobleme und Versicherungslösungen bei Cyber-Risiken 21, 58: umfassendere Lösung de lege ferenda erforderlich). Der Schutz ist neben demjenigen des Eigentums bzw Besitzes am Datenträger erforderlich, da Daten immer seltener verkörpert sind und immer häufiger in Netzwerken gespeichert werden, an denen derjenige, der die Daten dort ablegt, idR keine dinglichen Rechte geltend machen kann. Zuweisungsgehalt und Ausschließungsfunktion sind gegeben; auch Eigentumsähnlichkeit und soziale Offenkundigkeit ließen sich (wenn man sie für erforderlich hielte, s.o. Rn 54) bejahen. Für die Einstufung als sonstiges Recht spricht auch die Anerkennung des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (BVerfG NJW 08, 822 [BVerfG 27.02.2008 - 1 BvR 370/07]). Die Behandlung als sonstiges Recht (und nicht als Aspekt einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder als besondere Verkehrssicherungspflicht) dürfte der verfassungsgerichtlichen Rspr am besten gerecht werden und am leichtesten handhabbar sein. Wenn es um die Vertraulichkeit und Integrität der Daten geht, ist allerdings bei der Prüfung der Verletzungshandlung eine besondere Rechtswidrigkeitsabwägung wie beim Allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder beim Recht am Unternehmen erforderlich (s.a. Bartsch CR 08, 613, 616; teilw aA zur dogmatischen Einordnung Roßnagel/Schnabel NJW 08, 3534, 3536; insg aA insoweit Riehm VersR 19, 714, 721). Zu beachten ist, dass es hier nur um den Schutz der Integrität von Daten iSv gespeicherten Daten bzw Dateien gehen kann. In Bezug auf das personenbezogene Element von Daten kommt nur ein Schutz gegen unbefugte Nutzungen über das Datenschutzrecht bzw das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in Betracht. Ein umfassender Schutz von Daten ist über § 823 I BGB – auch unter Einbeziehung der Regeln über Verletzungen des Eigentums und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts – bislang nicht möglich. Zu einer denkbaren Anerkennung virtuellen Eigentums als sonstiges Recht s nur Berberich Virtuelles Eigentum 10, 222 ff; problematisch erscheinen hier insb die vertragsrechtlichen Überlagerungen. Für eine Anerkennung von NFTs als sonstiges Recht jetzt Spindler/Meyer MMR 23, 907, 909 ff, hier steht die Diskussion noch am Anfang.
c) Umweltgüter.
Rn 78
Umweltgüter als solche sind idR keine als ›sonstige Rechte‹ schutzfähigen privaten Güter, weil sie weder einem Einzelnen zugewiesen sind noch Ausschlussmöglichkeiten bestehen (vgl auch MüKo/Wagner § 823 Rz 354 f; NK-BGB/Katzenmeier § 823 Rz 88; teilw abw Staud/J Hager § 823 Rz B 189). Zu umweltschützenden Verkehrspflichten s.u. Rn 167 f.
d) Justizgewährungsanspruch.
Rn 78a
In einer neueren Entscheidung wird der Justizgewährungsanspruch ohne nähere Diskussion als sonstiges Recht qualifiziert...