aa) Verbreitung von Tatsachen.
Rn 94
Die Verbreitung wahrer, aber geschäftsschädigender Tatsachen (zB kritischer Berichte oder zutreffender Bonitätsauskünfte) stellt grds keinen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am Unternehmen dar, da sie idR von Art 5 I GG gedeckt ist (BGH NJW 87, 2746 f mwN; BGHZ 138, 311, 320 f; NJW 05, 2766, 2769 f; 11, 2204 Rz 18 ff; Brandbg MDR 18, 738, 739). Anderes gilt nur, wenn die Verbreitung solcher Tatsachen ›Prangerwirkung‹ entfaltet (BGH NJW 87, 2746, 2747 mwN; 94, 124, 126f) oder andere, besondere Begleitumstände hinzutreten, zB wenn die Informationen durch gezieltes Eindringen in die unternehmerische Vertraulichkeitssphäre erlangt wurden (BGHZ 80, 25, 38 ff; 138, 311, 321; NJW 18, 2877 Rz 16 ff, iE aber Rechtswidrigkeit abgelehnt; krit Bettermann NJW 81, 1065 ff). Der Schwerpunkt der Prüfung liegt auf der Rechtswidrigkeitsabwägung. Dabei sind insb eine Wahrnehmung berechtigter Interessen (BGH GRUR 70, 465, 466; NJW 87, 2746, 2747 [BGH 25.11.1986 - VI ZR 269/85]; Hamm OLGR 09, 386, 387) sowie Nachforschungspflichten des Äußernden (BGH VersR 69, 352, 353f) zu berücksichtigen; die Rspr ist allerdings nicht einheitlich (s BeckOGK/Spindler § 823 Rz 214 f mN).
Rn 95
Unwahre Tatsachenbehauptungen werden grds abschließend von § 824 bzw § 823 II iVm § 186 StGB erfasst. Eine Ausnahme kommt ggf bei der Gefährdung von Beziehungen des Unternehmens zur Umwelt (nicht zu seinen Geschäftspartnern) in Betracht (BGHZ 90, 113, 121 ff: Veranlassung von Masseneinsprüchen im Planfeststellungsverfahren durch Falschangaben; zur Kritik in der Lit Staud/J Hager § 823 Rz D 26 mwN; s.a. BGH NJW 08, 2110 [BGH 11.03.2008 - VI ZR 7/07] Rz 14 ff).
bb) Verbreitung von Werturteilen; Kritik.
Rn 96
Die Verbreitung von Werturteilen oder Kritik ist bei Vorliegen einer geschäftlichen Handlung iSd § 2 I Nr 2 UWG ausschließlich nach dem UWG zu beurteilen (Staud/J Hager § 823 Rz D 27; BeckOGK/Spindler § 823 Rz 233). IÜ kann – in engen Grenzen – das Recht am Unternehmen einschlägig sein (dazu zB BGH GRUR 20, 435 [BGH 14.01.2020 - VI ZR 496/18] Rz 37, 41; GRUR-RS 20, 1917 Rz 37, 41; 1913 Rz 37, 41 – allerdings in Bezug auf den erforderlichen betriebsbezogenen Eingriff sehr weitgehend, s Schaub GRUR 20, 494, 495; aA Spindler ZUM 20, 433, 437). Insgesamt ist ein Unternehmen im geschäftlichen Bereich jedoch weniger weitgehend gegen Herabsetzung geschützt als Private (BGHZ 36, 77, 80; s aber auch München BeckRS 11, 25895: Beschimpfung von Hotelgästen als Verletzung des Rechts am Unternehmen), das ist iRd Erfordernisses eines betriebsbezogenen Eingriffs zu berücksichtigen. Bei der Güter- und Interessenabwägung zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit sind va die Grundrechte des Äußernden einzubeziehen, insb 5 I 1, 5 I 2 und 5 III GG. Stellt eine Äußerung einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich betreffenden Frage dar, spricht für sie – entspr den Grundsätzen zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (§ 12 Rn 31 ff) – eine Vermutung der Zulässigkeit (BGHZ 45, 296, 308; 65, 325, 331 ff). Die Grenze ist idR erst bei Schmähkritik erreicht (BGH aaO sowie NJW 02, 1192; 05, 2766, 2770 f; 08, 2110 [BGH 11.03.2008 - VI ZR 7/07] Rz 29 – iE abgelehnt; BVerfG NJW 10, 3501 [BVerfG 08.09.2010 - 1 BvR 1890/08] mit Hinweisen zur Auslegung bei mehrdeutigen Tatsachenbehauptungen). Die Fälle einer satirischen Verfremdung fremder Marken (s insb BGHZ 91, 117, 122 ff: Zigarettenreklame ›Marlboro/Mordoro‹; krit teilw die Lit, Nachw bei Staud/J Hager § 823 Rz D 31) dürften heute idR über das Markenrecht zu lösen sein (näher Schaub JZ 07, 548, 553 ff).
cc) Warentests.
Rn 97
Warentests können nur einen Eingriff in das Recht am Unternehmen darstellen, wenn sie betriebsbezogen sind. Nicht ausreichend sind zB positive Bewertungen von Konkurrenzprodukten, die Nichtberücksichtigung noch schlechterer Produkte oder ein reiner Systemvergleich (BGHZ 65, 325, 332; NJW 87, 2222, 2224 f; Hambg 7 U 13/19). Ausnahmsweise kann ein betriebsbezogener Eingriff vorliegen, wenn bei der Darstellung der Testergebnisse ein unzutreffendes Gesamtbild entsteht (München GRUR 14, 1126, 1132 [OLG München 09.09.2014 - 18 U 516/14]); insoweit ist allerdings eine ausführliche Würdigung aller Umstände des Einzelfalls insb mit Blick auf Art 5 I GG erforderlich. Str ist, ob Warentests durch Wettbewerber das Recht am Unternehmen verletzen können. Die mitunter vertretene Annahme einer generellen wettbewerbsrechtlichen Unzulässigkeit (Hamm WRP 80, 281 f; Staud/J Hager § 823 Rz D 32) dürfte mit Blick auf § 6 UWG heute nur noch schwer zu begründen sein (s.a. BeckOGK/Spindler § 823 Rz 239 ff). Entscheidend ist danach insb, ob die Gebote der Objektivität und Sachlichkeit eingehalten sind und weder eine pauschale Herabsetzung des Mitbewerbers noch eine Irreführung der Verbraucher vorliegt. Im Anwendungsbereich des § 6 UWG dürfte für eine ergänzende Heranziehung des § 823 I kein Raum bleiben.
Rn 98
IÜ spielt auch hier die Rechtswidrigkeitsabwägung, insb zwischen Informationsinteresse der Allgemeinheit und Unternehmensschutz, eine zentrale Rolle (BGH...