Rn 119
Auf Seiten des Gefährdeten sind in erster Linie die gefährdeten Rechtsgüter sowie Umfang und Grad ihrer Gefährdung zu berücksichtigen, zB reicht der Schutz von Leben und Gesundheit weiter als derjenige des Eigentums (s nur BGHZ 58, 149, 156).
Rn 120
Von Bedeutung sind weiterhin die Möglichkeiten des Selbstschutzes (dazu insb BGH VersR 14, 78 Rz 17 mwN; MüKo/Wagner § 823 Rz 480 ff mwN), die in Wechselwirkung mit der Möglichkeit von Sicherungsmaßnahmen auf Seiten des Sicherungspflichtigen stehen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei ein schützenswertes Vertrauen des Gefährdeten.
Rn 121
In Bezug auf die Person des Gefährdeten ist Maßstab grds die schutzbedürftigste Personengruppe (s insb BGHZ 103, 338, 340). Der Sicherungspflichtige kann hier teilw gegensteuern, zB durch Beschränkung eines von ihm eröffneten Verkehrs auf einen bestimmten Personenkreis (s insb BGH NJW 85, 1078 f; 87, 2671, 2672), ggf auch bei der Übernahmehaftung durch Beschränkung des Umfangs oder gänzliche Verweigerung der Übernahme. Besonders hohe Anforderungen gelten bei einer möglichen Gefährdung von Kindern und Jugendlichen (zB BGH NJW 75, 108 f; 99, 2364; 06, 2918 Rz 6; 21, 1090 Rz 11; VersR 21, 452 Rz 27); Grenzen bestehen aber insb dort, wo eine Gefahr sich offensichtlich aufdrängt (zB BGH NJW 78, 1628 [BGH 02.05.1978 - VI ZR 110/77]; 99, 2364 [BGH 04.05.1999 - VI ZR 379/98] mwN), wo auf die Wahrung der Aufsichtspflicht durch die Eltern vertraut werden kann (BGH NJW 94, 3348, 3349 mwN; 21, 1090 Rz 12 ff; VersR 21, 452 Rz 29 ff, zust Schultess VersR 21, 1011, 1013) oder wo die Gefährdungsmöglichkeit derart fern liegt, dass man nach realistischer Betrachtung nicht damit zu rechnen hatte (Kobl NJW-RR 05, 1611, 1612 [OLG Koblenz 20.10.2005 - 5 U 216/05]) bzw die Gefährdung von den Kindern noch kontrolliert werden kann (Brandbg NJW-RR 20, 1222, 1223f [OLG Brandenburg 08.07.2020 - 4 U 182/19]). Str ist der Umfang von Verkehrspflichten ggü Unbefugten: Teilweise wird eine Einbeziehung in den Schutz (zB J Schröder AcP 1979, 567 ff; Saarbr OLGR 06, 766, 768; Dresd OLGR 07, 866; Hamm BeckRS 09, 12034), teilw eine Einschränkung der Verkehrspflichten (zB BGH NJW 57, 499; 87, 2671, 2672; Saarbr OLGR 06, 910 f; Jena BeckRS 09, 86310; München BeckRS 10, 25726; Stuttg VersR 10, 1091, 1092; Brandbg MDR 13, 1456; Hamm MDR 13, 907; BeckOGK/Spindler § 823 Rz 426 ff; Czernik VersR 10, 1416 ff zu unbefugt ein Grundstück betretenden Kindern), vermittelnd eine Differenzierung nach der Reichweite des Vertrauensgrundsatzes (MüKo/Wagner § 823 Rz 491) vertreten. Eine solche Differenzierung erscheint sinnvoll, denn die Fälle zeigen, dass es verschiedene Stufen des ›Unbefugtseins‹ gibt – vom Eindringling auf fremdem Grundstück bis zum Großvater auf der Kinderrutsche. Nicht geschützt ist, wer die Gefahr aus wirtschaftlichem Eigeninteresse selbst in Kauf genommen hat (zB BGH NJW 06, 3628 [BGH 26.09.2006 - VI ZR 166/05] Rz 17: Vermieter eines Grundstücks, auf dem eine Altautoreifenrecyclinganlage betrieben wird; Kobl BeckRS 19, 18868: Geschädigter hatte selbst Anweisungen zur schädigenden Handlung gegeben).