Rn 186
Die Instruktionspflicht des Produzenten betrifft die Aufklärung über von dem Produkt ausgehende Gefahren sowohl bei bestimmungsgemäßer Anwendung als auch bei naheliegendem Fehlgebrauch (s insb BGHZ 99, 167, 180; 116, 60, 65 f; NJW 99, 2815 f; BGHZ 181, 253 Rz 23, alle mwN). Adressaten sind die Benutzer des Produkts; Maßstab ist die am stärksten schutzbedürftige Nutzergruppe (BGH NJW 94, 932, 933; einschr Schlesw BauR 07, 1939). Art und Umfang der Instruktionspflicht richten sich nach der Gefährlichkeit des Produkts, in Betracht kommen insb Gebrauchsanleitung, Verarbeitungshinweise, ggf separate Warnhinweise. Auch gesetzliche Vorgaben (zB die LMIV) sind zu berücksichtigen (zur Produkthaftung des Händlers für fehlerhafte Allergen-Kennzeichnung näher Foerste ZLR 16, 333, 338 ff; zur Haftung nach dem ProdHaftG § 3 ProdHaftG Rn 6). Die Instruktion muss deutlich (nicht zwischen anderen Informationen ›versteckt‹, s nur BGHZ 99, 167, 181; 116, 60, 68; NJW 99, 2273, 2274; zu Grenzen der Bereitstellung in rein elektronischer Form Ackermann in Ehring/Taeger Produkthaftungs- und Produktsicherheitsrecht 22 § 823 BGB Rz 114f) und für den in Frage kommenden Nutzerkreis verständlich sein (BGHZ 116, 60, 68; Bremen VersR 04, 207, 208: deutsche Sprache); auf Nebenwirkungen ist hinzuweisen (BGHZ 80, 186, 191 ff). Auch in Bezug auf die Wirkungslosigkeit eines Produkts kann eine Aufklärung erforderlich sein, wenn Nutzer sonst auf die Wirksamkeit vertrauen und dadurch von anderen Gefahrabwehrmaßnahmen absehen würden (BGHZ 80, 186, 189f). Wenn bei selbstlernenden Systemen eigenständige Weiterentwicklungen vom Hersteller nicht überwacht oder dokumentiert werden, sollten die Nutzer zumindest hierüber informiert werden. Bei einer Kontrolle der Weiterentwicklungen durch den Hersteller kann eine Aufklärung über sicherheitsrelevante Nutzungsmodalitäten erforderlich sein. Grenzen der Instruktionspflicht ergeben sich bei Entwicklungsfehlern (BGHZ 181, 253 Rz 27 ff; s.a. Burckhardt VersR 09, 1592, 1594f), bei offensichtlichem Missbrauch oder völlig unerwarteter Verwendung des Produkts (zB BGH NJW 81, 2514, 2515 f [BGH 07.07.1981 - VI ZR 62/80]: Berauschen mit Kälte- bzw Reinigungsmittel für gewerblichen Gebrauch; Saarbr NJW-RR 12, 797 [OLG Saarbrücken 23.03.2012 - 8 U 570/10 - 158]: Selbstentzündung von Sesamölrückständen auf nicht ausreichend gereinigten Textilien im Wäschetrockner) und dort, wo Kenntnis der Gefahren vom Produktnutzer zu erwarten ist (zB BGHZ 116, 60, 65 f; NJW 99, 2815, 2816, beide mwN; va bei gewerblichen Abnehmern, insb BGH NJW 96, 2224, 2226 mwN). In die letztgenannte Kategorie fallen auch die Entscheidungen über – offensichtlich vom US-amerikanischen Produkthaftungsrecht inspirierte – Klagen wegen Gesundheitsschäden durch Rauchen (Frankf NJW-RR 01, 1471 [OLG Frankfurt am Main 01.02.2001 - 1 W 11/00]; Hamm NJW 05, 295, 296 [OLG Hamm 14.07.2004 - 3 U 16/04], auch zur Ablehnung eines Konstruktionsfehlers; LG Bielefeld NJW 00, 2514, 2514 f; vgl aber auch Buchner/Wiebel VersR 01, 29 ff; Looschelders JR 03, 309, 312 f; zur allg Problematik der Produkthaftung für Tabakwaren insb Buchner VersR 00, 28 ff; Rohlfing/Thiele VersR 00, 289 ff; Merten VersR 05, 465, 467 ff), Bierkonsum (Hamm NJW 01, 1654, 1655) oder gar das Trinken von Coca-Cola (LG Essen NJW 05, 2713, 2714f), den Verzehr von Schokoladenriegeln (Ddorf VersR 03, 912 ff) oder Lakritz (Köln NJW 05, 3292, 3293f).