Rn 4
Nach hM ist der Deliktstatbestand dreistufig und besteht aus Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Verschulden (MüKo/Wagner § 823 Rz 1 ff mwN; weiterhin zB Selzer Pflichtverletzung im Leistungsstörungsrecht 22, 171f). Nicht dazu gehören Schaden und haftungsausfüllende Kausalität; auf sie muss sich daher das Verschulden idR nicht erstrecken (sofern nicht ausnw bei § 823 II der Schaden bereits zum Tatbestand der Schutzgesetzverletzung gehört).
1. Tatbestand.
Rn 5
Haftungsbegründend kann jedes bewusstseins- und willensgelenkte Handeln oder Unterlassen sein. Ein Unterlassen ist jedoch nur tatbestandsrelevant, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln (Verkehrssicherungspflicht in ihrer urspr Bedeutung, s.o. Rn 2) bestand.
Rn 6
Weiterhin erfordert der Tatbestand des § 823 die Verletzung eines der in Abs 1 genannten Rechtsgüter, einer Verkehrspflicht zum Schutz dieser Rechtsgüter oder eines Schutzgesetzes iSd Abs 2.
Rn 7
Schließlich muss Kausalität zwischen Handlung bzw Unterlassung und Rechtsguts- bzw Verkehrspflicht- oder Schutzgesetzverletzung (haftungsbegründende Kausalität) vorliegen. Diese ist immer gesondert zu prüfen (bekräftigt in BGH NJW 22, 3509 Rz 15) und nach Äquivalenz- und Adäquanztheorie iVm der Lehre vom Schutzzweck der Norm zu beurteilen (dazu auch § 249 Rn 67 ff sowie eingehend Lange/Schiemann Schadensersatz 3. Aufl 03, § 3); im Prozess gilt § 286 ZPO (BGHZ 4, 192, 196 f; NJW 87, 705 f mwN; 15, 2111 Rz 10 mwN; 20, 3176 Rz 13 mwN). Die Theorien wirken wie mehrere aufeinanderfolgende Filter: Nach der sehr weit gefassten Äquivalenztheorie muss die Handlung bzw Unterlassung condicio sine qua non für die (Rechtsguts-, Verkehrspflicht- oder Schutzgesetz-) Verletzung gewesen sein, dh die Handlung darf nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele (s nur BGHZ 2, 138, 141; 25, 86, 88 f; 57, 245, 254; NJW 04, 1375) bzw bei Unterlassen hätte pflichtgemäßes Handeln den Erfolgseintritt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert. Zwar verlangen die Zivilgerichte mitunter sogar Sicherheit (s nur BGHZ 34, 206, 215; NJW 84, 432, 434; wohl auch BGHZ 192, 298 Rz 10, 14 aE); wenn aber bereits im Strafrecht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreicht (zB BGH NJW 90, 2560, 2565 [BGH 06.07.1990 - 2 StR 549/89]; 00, 2754, 2757 [BGH 19.04.2000 - 3 StR 442/99] mwN), sollte für die zivilrechtliche Haftung nichts anderes gelten (s.a. Soergel/Spickhoff § 823 Rz 20 aE). Probleme können bei Gesamtkausalität (von mehreren Ursachen ist jede allein für den Erfolg ursächlich) sowie Doppelkausalität (mehrere Ursachen führen erst durch ihr Zusammenwirken den Erfolg herbei) auftreten; sie unterstreichen, dass die Äquivalenztheorie für sich genommen noch keine angemessenen Ergebnisse ermöglicht, weil sie zu einer zu weit gehenden Zurechnung führen würde. Sie wird daher ergänzt durch Adäquanztheorie (die jedoch hauptsächlich iRd haftungsausfüllenden Kausalität eine Rolle spielt, s.u. Rn 22) und Lehre vom Schutzzweck der Norm. Bei Infektionen mit SARS-CoV-2 ist die haftungsbegründende Kausalität schon nach der Äquivalenztheorie in den allermeisten Fällen kaum nachweisbar; Beweiserleichterungen greifen idR nicht, allenfalls in Ausnahmekonstellationen kann ein Anscheinsbeweis oder § 830 I 2 (§ 830 Rn 10) greifen (Brand/Becker NJW 20, 2665, 2666 ff; teilw weitergehend Genz VersR 20, 1481, 1491 ff; Sander/Hilberg/Bings COVuR 20, 347, 354 für Arbeitsverhältnisse). Nach der Adäquanztheorie muss die Rechtsgutverletzung für einen optimalen oder zumindest erfahrenen (zu dieser Differenzierung insb Soergel/Spickhoff § 823 Rz 23 aE) Beobachter objektiv vorhersehbar gewesen sein (zB BGHZ 3, 261, 266 ff; NJW 76, 1143, 1144 mwN – zur haftungsausfüllenden Kausalität), dh die Handlung oder Unterlassung muss im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet gewesen sein, den fraglichen Erfolg herbeizuführen (s nur BGH NJW 86, 1329, 1331; BGHZ 137, 11, 19; NJW 02, 2232, 2233, alle mwN) bzw die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines solchen Erfolgs erheblich zu erhöhen (zB BGH NJW 52, 1010, 1011; BGHZ 26, 69, 76f). IRd haftungsbegründenden Kausalität bei § 823 I spielt dieses Kriterium jedoch kaum eine Rolle, weil dadurch va ungewöhnliche Kausalketten ›ausgefiltert‹ werden, bei denen ein Anspruch idR auch am Fehlen von Rechtswidrigkeit bzw Verschulden scheitert (vgl zB Soergel/Spickhoff § 823 Rz 25; MüKo/Wagner § 823 Rz 73, beide mwN; BeckOK/Flume § 249 Rz 284; Waldkirch Zufall und Zurechnung im Haftungsrecht 18, 303 ff; für eine weiterreichende Anwendung auch bei der haftungsbegründenden Kausalität zB Staud/Höpfner § 249 Rz 24 mwN). Eine weitere Begrenzung der Zurechnung erfolgt bei der haftungsbegründenden Kausalität va durch die Lehre vom Schutzzweck der Norm (andere, weitgehend gleichbedeutend gebrauchte Bezeichnungen: Rechtswidrigkeitszusammenhang, Gefahrbereichs- oder Risikoverteilung). Danach ist entschei...